APA - Austria Presse Agentur

Neue Oper Wien startet mit wuchtigem "Tod" in neue Saison

Es ist ein dunkler, wuchtiger Saisonauftakt der Neuen Oper Wien, mit dem die unabhängige Compagnie am Donnerstagabend im Museumsquartier aufgewartet hat: Mit Benjamin Brittens Alterswerk "Death in Venice", dem auf Thomas Manns "Tod in Venedig" basierenden, letzten Musiktheaterwerk des 1976 verstorbenen Komponisten, legt man dank Regisseur Christoph Zauner eine ebenso kluge wie vielfarbige Inszenierung vor.

Über die Bühne ziehen sich labyrinthische Laufstege à la MC Escher als venezianische Paraphrase - eine variable Spielfläche. Zauner weiß als Musiktheaterexperte dieses dunkel grundierte Venedig, in dem immer wieder die Dämpfe des Verfalls wabern, im Laufe des Abends mit Farbantagonismen in ein gänzlich neues Licht zu tauchen.

Abseits der symbolischen Lichtbilder als Metaphern für einen drangsalierten Geist gelingt dem Wiener, den gesetzten statischen Rahmen durch geschickte Personenführung und Mikroaktionen zu beleben. Nicht zuletzt hat daran Choreografin Saskia Hölbling ihren Anteil, die die von Britten komponierten konzertanten Zwischenspiele tänzerisch zu gestalten weiß.

Letztlich spiegelt die Inszenierung damit die Ambivalenz von Brittens wohl dunkelstem Werk, das zugleich farbenreich wie kaum ein vorheriges des Komponisten ist und von solistischen Passagen bis satten Tutti, von konzertanten Zwischenspielen bis zu zentralen Chorpassagen alles beinhaltet. Neue-Oper-Chef Walter Kobéra führt hier die Tonkünstler in fein geschliffener Deutung durch den Abend. Und schließlich kommt die mit steter Präsenz dominierende Zentralfigur des Gustav von Aschenbach hinzu, die Britten einst für seinen gealterten Lebensgefährten Peter Pears mit entsprechend vielen rezitativen Passagen schrieb und die Alexander Kaimbacher mit schneidigem Timbre und zarter Fragilität zu gestalten weiß.

In Zauners Inszenierung tötet er am Ende in Person seines jüngeren Alter Ego das stumme Objekt der Begierde, den Teenager Tadzio - und damit sein eigenes Begehren und letztlich Sein. Diese Abkehr vom Libretto erscheint weniger schlüssig und fällt plakativer aus als die Entscheidung, das Grassieren der Cholera in Venedig dankenswerterweise nicht mit aktuellen Anspielungen zu befrachten. Auch so bleibt in Zeiten von Corona so manche Textzeile schmerzlich haften.

(S E R V I C E - "Death in Venice" von Benjamin Britten von der Neuen Oper Wien im Museumsquartier, Halle E, Museumsplatz 1, 1070 Wien. Musikalische Leitung des Tonkünstler Orchesters: Walter Kobéra, Inszenierung: Christoph Zauner, Bühne/Kostüme: Christof Cremer. Mit: Alexander Kaimbacher - Gustav von Aschenbach, Andreas Jankowitsch - The Traveller u.a., Ray Chenez - Voice of Apollo, Rafael Lesage - Tadzio, Luis Rivera Arias - Jaschiu, u.a. Weitere Aufführungen am 9., 10. und 12. Oktober. https://neueoperwien.at/death-in-venice/)