Neue Pkw-Assistenzsysteme: ÖAMTC fordert Verbesserungen

Die Zahl an Assistenzsystemen in Autos nimmt kontinuierlich zu
Die digitale Technisierung schreitet voran und schlägt sich bald verstärkt beim Autofahren nieder.

Denn ab 7. Juli kommen verpflichtend neun neue Assistenzsysteme in Autos, die zum ersten Mal angemeldet werden. Der ÖAMTC hat diese Assistenten bereits getestet und kommt zum Schluss, dass zwar Vorteile überwiegen, Verbesserungen aber angebracht seien, wie es gegenüber der APA heißt. Etwa sind die Neuwagen so digital, dass ein Anti-Cyber-Angriff-Assistent eingebaut wird.

Neu: Notbremsassistent, Notbremslicht uvm.

Derzeit sind bei Pkw vier Assistenzsysteme (ABS, ESP, Bremsassistent, Gurtwarner) standardmäßig dabei. Neu dazu kommen jetzt Notbremsassistent, Notfall-Spurhalteassistent, intelligenter Geschwindigkeitsassistent, Notbremslicht, Rückfahrassistent, Müdigkeitswarner, Vorrichtung zum Einbau von sogenannten Alkolocks, Schutz des Fahrzeugs gegen Cyber-Angriffe sowie eine ereignisbezogene Datenaufzeichnung.

Ein Test des ÖAMTC in Form von Fahrversuchen belege, dass einige der Systeme noch nicht so gut seien, wie sie es sein könnten. "Es gibt unpassende Lenkeingriffe durch Spurhalteassistenten, Verkehrszeichen werden falsch oder gar nicht erkannt", analysierte der Verkehrsclub-Techniker David Nosé. "Dazu kommen Systeme, die den Fahrer bzw. die Fahrerin ständig ermahnen, den Blick auf die Straße zu richten und dadurch stressen."

Zwar könne man die Systeme deaktivieren. Aber: "Abschalten ist keine Lösung, sondern ein verschenktes Sicherheitspotenzial", so Nosé. Denn die Vorteile für die Sicherheit würden bei weitem überwiegen.

So verliefen die Tests

In drei Fahrszenarien wurden Assistenzsysteme getestet. Um die Kundenakzeptanz zu untersuchen, wurde der Notfall-Spurhalteassistent in eine Baustelle geschickt: Pylonen markierten eine Fahrspur, mittig lief eine Fahrbahnmarkierung. Der Notfall-Spurhalteassistent versuchte, das Fahrzeug durch Lenkeingriffe und Warnungen innerhalb der ursprünglichen Fahrspur zu halten. "Das System kann aber übersteuert werden. Nur wer das weiß, rechnet damit und reagiert richtig", so Nosé.

Im zweiten Test wurden mit einem Rangiernotbremsassistenten die Grenzen der Physik ausgelotet. Einen Kartonwürfel hinter dem Fahrzeug erkannte das System und bremste selbstständig, außer der Würfel war genau im 45-Grad-Winkel aufgestellt. In diesem Fall fuhr das Fahrzeug weiter und kollidierte mit dem Würfel. "Hier gibt es technischen Verbesserungsbedarf", betont der ÖAMTC-Experte.

Wie gut ein Notbremsassistent außerhalb der Laborbedingungen funktioniert, wurde im dritten Szenario ausprobiert. Das Fahrzeug bremste bei verschiedenen Versuchsaufbauten und trotz zusätzlicher Umwelteinflüsse rechtzeitig. Allerdings führte eine kurze Lenkbewegung während der Notbremsung zu einem Lösen der Bremsen. Der Moment, bis das System wieder reagierte, genügte, dass das Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig stoppte.

Trotz Grenzen und Schwächen überwiegen jedoch die Potenziale von Fahrerassistenzsystemen, betonte der Fachmann. Denn 80 Prozent der Pkw-Unfälle mit Personenschaden im Jahr 2023 seien von den Lenkerinnen bzw. Lenkern verursacht worden. "Je nach Unfallkonstellation haben Fahrerassistenzsysteme Potenzial, Unfälle gänzlich zu verhindern oder zumindest die Unfallschwere zu mindern", so Nosé.

So passiere etwa ein Drittel der Alleinunfälle aufgrund von "Unachtsamkeit, Ablenkung": "Hier kann durch einen Lenkeingriff des Notfall-Spurhalteassistenten ein Abkommen von der Fahrbahn verhindert werden." Im Begegnungsverkehr gelte das als Auslöser für ein Viertel der Unfälle mit Personenschaden, die durch Fahrer hauptverursacht werden. 

"Ein Notfall-Spurhalteassistent kann viele dieser Unfälle verhindern oder die Folgen abmildern, wenn man aus Unachtsamkeit von der Straße abkommen oder über die Mittellinie in den Gegenverkehr geraten würde", erläuterte Nosé. Ein Notbremsassistent reduziere die Zahl bzw. die Schwere der Unfälle mit Fußgängerinnen und Fußgängern, Radlerinnen und Radlern.

Zu angebrachten Verbesserungen sagte der ÖAMTC-Experte: "Die verpflichtenden Systeme im Fahrzeug müssen hinsichtlich ihrer Warnungen und Eingriffe so abgestimmt sein, dass Fahrer nicht überfordert, gestört oder irritiert werden." Außerdem müssten Hersteller die Systeme auf unterschiedlichste Szenarien und Hindernisse trainieren. Der Gesetzgeber müsse die Anforderungen entsprechend dem Stand der Technik nachziehen - einige Hersteller würden zeigen, dass auch heute schon mehr möglich ist.

Die Akzeptanz hänge weiters auch vom Wissen und Können der Nutzer ab. Daher sollte man vor einem Fahrzeugkauf bei einer Probefahrt auch die Assistenzsysteme im Fokus haben, sich diese vom Verkaufspersonal erklären und gegebenenfalls einstellen lassen.

Eine ÖAMTC-Befragung zu Bekanntheit, Akzeptanz und Erfahrungen mit Assistenzsystemen zeigt indes, dass vorhandene Systeme meist genutzt werden. "Ein Drittel der Befragten gab an, dass sie der Eingriff eines Assistenzsystems in einer Gefahrensituation schon einmal gerettet hat - 58 Prozent durch einen Signalton, 50 Prozent durch eine Bremsung", erläuterte Nosé. Gleichzeitig berichtete ein Drittel auch über eine falsche Warnung - Signalton (43 Prozent) und Bremsung (41 Prozent) liegen hier praktisch gleich auf.

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