Neues Solo: Thomas Maurer in der Social-Media-Entzugsklinik
APA: Herr Maurer, wie geht es Ihnen mit dem Wahlergebnis?
Thomas Maurer: Ich teile - wie ich glaube, mit vielen Österreichern - eine gewisse resignierte Angewidertheit. 2000 war halt ein Tabubruch, die Empörung war groß, und ein paar Jahre später war wieder alles vergessen. Dann war Ibiza und bald war wieder alles vergessen. Mittlerweile nimmt man das halt zwar fassungslos, aber doch nur mehr zur Kenntnis.
APA: Wie sieht Ihre Erklärung aus?
Maurer: Es hat einerseits sehr viel mit dem Versagen dessen, was einmal die Volksparteien waren, zu tun - zumal sich ja die ÖVP unter Kurz der FPÖ bis zur Ununterscheidbarkeit angenähert hat. Ganz draußen ist das noch nicht. Andererseits glaube ich, dass Social Media einen großen Einfluss hat, weil Rechtspopulismus und Social Media denselben Treibstoff haben: Aufregung, Empörung, negative Emotionen. Dieser Zustand der dauernden Empörung kombiniert mit dem Blasenzustand der dauernden Bestätigung befördert Schwarz-Weiß-Weltbilder und rein wut- und bauchgetriebene politische Entscheidungen. Das ist sicher einer der Gründe, warum in den vergangenen Jahren praktisch überall die Rechtsaußen-Vereinfacher Triumphe gefeiert haben.
APA: Gibt es trotzdem ein Best-Case-Szenario?
Maurer: Eine Dreierkoalition, in der versucht wird, ein paar vernünftige Reformprojekte auf die Beine zu stellen und die auch zu kommunizieren. So ähnlich, wie es Kern und Mitterlehner damals vorhatten. Das wurde aber damals von Kurz und seinen Loyalisten beendet. Deshalb ist mein Vertrauen nicht sehr hoch, dass man mit der teilweise noch vorhandenen Kurz-Mannschaft so was paktieren kann. Aber man muss auch sagen: Mit wem macht man in der SPÖ etwas aus, das hält, wenn die halbe Partei darauf wartet, den Vorsitzenden eins reinzuwürgen?! Aber dieses hypothetische Szenario wäre noch das Beste: die FPÖ aus der Regierung rauszuhalten, wo sie meiner Ansicht nach nichts verloren hat. Wir hatten einen Innenminister Kickl, der unseren Geheimdienst ruiniert hat. Die FPÖ hatte eine Außenministerin (Karin Kneissl, Anm.) nominiert, die offensichtlich ein russisches Asset ist und von Putin in einer Militärmaschine ausgeflogen wurde. Wie kann man noch deutlicher demonstrieren, dass man in einer Regierung nichts verloren hat? Das scheint aber 30 Prozent der Menschen völlig wurscht zu sein. Das ist aber auch ein Medienversagen. Denn dafür, was für ein Riesenskandal das ist, hätte das über Wochen Dauerthema sein müssen. Man berichtet das, klar. Aber es ist keine Story. Die Story wäre, wenn dem Babler ein Knopf abspringt, weil er das Hemd eine Nummer zu klein gekauft hat.
APA: Wird Kickl Kanzler werden?
Maurer: Ich habe keine Glaskugel. Es kann alles sein. Was ich für realistisch halte: Wenn es zu Blau-Schwarz kommt, dann wird jetzt einmal vier Monate lang verhandelt und dann stellt sich heraus, dass die SPÖ leider viel zu marxistisch ist und von ihren Maximalforderungen nicht und nicht abrückt - siehe Niederösterreich. Irgendwo hat man dann halt die staatspolitische Verantwortung, doch mit Nazis zu koalieren.
APA: Wenn es so kommt: Wird es unlustig in Österreich?
Maurer: Es wird definitiv unlustig. Das Hauptmatch wird sein, ob ein Umbau der Institutionen nach ungarischem Vorbild verhindert werden kann. Da sind ja weite Teile der ÖVP dafür zu haben. Wenn es zu Blau-Schwarz kommt, wird dieser Angriff sicher stattfinden. Ob unsere Institutionen und unsere Verfassung so gut gebaut sind, dass sie dem widerstehen, werden wir sehen.
APA: Für den "Staatskünstler" Maurer wäre aber immerhin einiges drinnen...
Maurer: Da ist momentan der Staatsbürger in mir stärker als der "Staatskünstler". Lieber mache ich einen Abend über Paprikazucht als einen Abend darüber, dass das Land, in dem auch meine Kinder aufwachsen, möglicherweise als liberale Demokratie gerade über die Klippe geschickt wird.
APA: Ihr neues Programm "Trotzdem" hat am 8. Oktober Premiere. Wird noch ein bisschen Wahlanalyse eingearbeitet?
Maurer: Nein, das war nie der Plan. Die Tagespolitik lebe ich bei den "Staatskünstlern" aus. Fast alle meiner Solos hatten keinen oder nur wenig tagespolitischen Bezug. Ich suche mir stattdessen Themen, über die ich dann eine adäquate Form suche. Das soll auch eine gewisse Theaterqualität haben.
APA: Der Titel "Trotzdem" lässt an einen Grundton der Auflehnung denken, Dinge nicht einfach so hinzunehmen.
Maurer: Um ein gar nicht so gut gehütetes Geheimnis der Branche zu lüften: Man gibt einen Titel oft ab, bevor man das Programm überhaupt geschrieben hat. In den vergangenen Jahren war es so, dass es deutlich mehr Gründe zum "Trotzdem"- als zum "Hurra"-Sagen gebeben hat. Da dachte ich mir, das kann einmal nicht so falsch sein als Titel (lacht). Ich glaube auch, dass angesichts der aktuellen Stimmung im Land ein "Trotzdem" gescheiter ist als ein "Oh Gott, ich will mich nur mehr in meinem Bett einrollen und von nix mehr was wissen."
APA: Worum geht's also?
Maurer: Es hat einen Theaterstückcharakter und spielt in einer Mischung aus Wellnesshotel und Socia-Media-Entzugsklinik. Die Inhalte ergeben sich daraus. Was macht Social Media mit uns? Artificial Intelligence spielt auch eine Rolle. Wir sehen ja gerade die ersten groben Umrisse und die lassen wenig Gutes erahnen. Was Kommunikations- und Gesellschaftsorganisation angeht, wird AI noch etwas sein, worüber wir zumindest staunen werden. Die Figur, die wieder einmal meinen Namen und meinen Beruf hat, kämpft sich da durch. Das ist das Grundsetting. Dazu kommen Spielereien mit dieser Technologie. Es gibt auch AI-erstellte Dinge. Zwei Deep Fakes kommen vor, kann ich verraten. Also es hantelt sich auch formal ein bisschen am Thema entlang.
APA: Kann KI - bei allen Warnrufen - die Welt nicht auch besser machen?
Maurer: Natürlich, keine Frage - in der Wissenschaft, der Pharmakologie zum Beispiel. Aber die Erfahrung lehrt, dass das erste Hauptanwendungsgebiet das Militär sein wird. Und ich weiß nicht, ob sich irgendjemand schon auf von AI-Systemen geführte Schlachten und Strategiepläne freut. Grundsätzlich gibt es unglaubliche Möglichkeiten der Gesamtmanipulation. Interessant ist auch, dass Systeme, die mit dem Internet als Basis gefüttert werden, jetzt schon delirieren. Das ist glaube ich der Fachausdruck, wenn eine AI totalen Blödsinn zu produzieren beginnt. Nur: Diese Fehlinformationen landen wieder im Internet und werden als Basis für die nächste Generation verwendet. Der Punkt ist, dass diese Systeme vom Menschen erstmals nicht mehr verstanden werden können, weil sie selbstlernend sind. Wir arbeiten dann mit unglaublich potenten Maschinen, deren Reaktion niemand voraussagen kann, weil niemand weiß, wie sie zu diesen Reaktionen kommen. Dass das nicht nur optimistisch stimmt, finde ich nachvollziehbar. Sogar dem Technologie- und Disruptionsfreak Herrn (Peter, Anm.) Thiel, derzeitiger Chef von Herrn Kurz, ist in einem Interview mit den Perspektiven von AI ein bissl die Muffn gangen.
APA: Das klingt alles relativ düster. Wie sich also die Zuversicht bewahren?
Maurer: Alles andere ist ja ein Blödsinn. Die Welt war ja immer krisenhaft und am Zusammenbrechen. Aber es hat immer wieder Auswege gegeben. Der Unterschied ist: Wir sind seit Jahrzehnten erstmals in der Lage, die Welt auch richtig kaputt zu machen und sind im Begriff, das zu tun. Aber ich könnte anders gar nicht leben. Ich habe Kinder. Du musst daran glauben, dass sich alles erfangen kann, weil es sich erfangen muss. Es wird alles zu spät passieren, es wird 100 Mal schwieriger und auf jeder Ebene - nicht nur finanziell - teurer als es notwendig gewesen wäre, wenn wir früher begonnen hätten, halbwegs intelligent zu reagieren. Aber es hat sich bisher gezeigt, dass die Menschheit eine Resilienz gegenüber den Dingen entwickelt, die sie zu ihrem eigenen Schaden entwickelt hat.
APA: Ist Humor oder Satire auch ein Gegenmittel?
Maurer: Es ist jedenfalls eine Möglichkeit, sich Dinge ein bisschen vom Leib zu halten. Satire kommt immer aus einem analytischen Prozess und der trennt dich kurz von dieser Primäremotion.
APA: Sie stehen seit gut 35 Jahren auf der Bühne. Schon mal den Gedanken gehabt, das nächste Programm soll dann das letzte sein?
Maurer: Erstens könnte ich mir gar nicht leisten, in Pension zu gehen. Und zweitens freut's mich schon immer noch. Natürlich fluche ich auch - wie jeder, der arbeiten muss. Aber ich stehe immer noch gern auf der Bühne und finde persönlich, dass ich das auch ganz gut kann. Insofern möchte ich das auch noch eine Weile weitermachen.
(Das Gespräch führte Thomas Rieder/APA)
(S E R V I C E - https://thomasmaurer.at)
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