APA - Austria Presse Agentur

NGO werfen Köstinger "Doppelspiel" zu EU-Agrarpolitik vor

Die Verteilung der Agrarfördermilliarden der EU sorgt traditionell für Begehrlichkeiten unterschiedlichster Art. Diese treten stets besonders hervor, wenn die Neuverteilung verhandelt wird - und das ist gerade in der Endphase der Fall. Hierzulande wirft ein Pool an Kritikern aus Umweltschützern und Gewerkschaften Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) ein "doppeltes Spiel" vor, das diese gegenüber der Öffentlichkeit und in den Verhandlungen betreibe.

Die Gespräche zur Verteilung der rund 387 Mrd. Euro in der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bis 2027 befinden sich nach einem Scheitern zuletzt weiter im Endstadium und gehen am Donnerstag und Freitag in Brüssel weiter. Über die GAP der EU fließen jährlich rund 2 Mrd. Euro öffentliche Gelder in die österreichische Landwirtschaft.

Global2000, Arbeiterkammer (AK), Gewerkschaft Pro-Ge, Kleinbauern, BirdLife und Co kritisieren in einem von ihnen am Montag veröffentlichten "Faktencheck" - siehe: http://go.apa.at/oQGud4Tc - etwa, dass Köstinger erreichen wolle, dass Maßnahmen des heimischen Agrarumweltprogramms ÖPUL als neue Ökoregelungen gegengerechnet werden dürfen. Die Politikerin fordere zwar eine 25-Prozent-Ökoregelung (25 Prozent der Förderungen in der Ersten Säule der GAP der Direktzahlungen sollen an Umweltmaßnahmen gekoppelt werden), "aber nur wenn sie mit dem bereits bestehenden Agrarumweltprogramm (ÖPUL) aus der zweiten Säule der Ländlichen Entwicklung in Österreich gegengerechnet werden", lautet die Kritik. So würde der Prozentsatz gedrückt und zudem wäre das EU-Parlament für eine 30-Prozent-Ökoregelung, so die Kritiker.

Freilich würden sich allerdings andere Player bzw. Länder in der Union nur 20 Prozent wünschen. Im Türkis-Grünen Regierungsprogramm ist allerdings sogar von einem "Verpflichtenden Umwelt/Klimabeitrag von 40 Prozent der GAP-Mittel" die Rede gewesen (Seite 156).

Beim sogenannten Capping der Flächenprämien - einer Förderobergrenze der Direktzahlungen, bei der 100.000 Euro mit schrittweiser Abschmelzung kommen dürften - handle Köstinger laut Global2000 und Co in Brüssel auch anders, als sie es in der Heimat gegenüber Medien angebe. So habe sie sich am 26. Mai in Brüssel gegen ein verpflichtendes Capping ausgesprochen - obwohl sich ein solches ebenso im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen findet: "Positionierung zu Capping und Degression auf europäischer Ebene zu den kommenden GAP-Verhandlungen: Bekenntnis zu einer einheitlichen Obergrenze (maximal 100.000 Euro) auf europäischer Ebene im Sinne eines degressiven Modells (ab 60.000 Euro)."

In Österreich erhalten 56 Prozent der Betriebe knapp 20 Prozent aller Direktzahlungen, während die oberen 4 Prozent der Betriebe 22 Prozent der Zahlungen erhalten, so Global2000. Das Capping mit einer Abschmelzung je größer der Betrieb ist und einer höheren Förderung der ersten Hektare sei dazu gedacht, dies auszugleichen. Köstinger forderte in Brüssel aber ein "Opting out" für Mitgliedsstaaten wie Österreich, da es hierzulande kein Verteilungsproblem gebe.

"Es braucht dringend eine Umverteilung zur doppelten Förderung der ersten 20 Hektar. Doch Ministerin Köstinger ignoriert die große Kluft zwischen den Einkommen von Klein- und Bergbetrieben und Groß- und Intensivbetrieben in Gunstlagen", kritisiert Franziskus Forster von der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung (ÖBV). "Sie vertritt in Brüssel das genaue Gegenteil ihrer Aussagen in Österreich und will weiter nach dem Prinzip 'je mehr Fläche, umso mehr Gelder' fördern, zulasten der Mehrheit der bäuerlichen Betriebe."

Bei den GAP-Verhandlungen führe Köstinger zudem die Gegner der sozialen Konditionalität an, in dem sie sich gegen wirksame Standards und gegen Kontrollen ausspreche, sich gegen die Optionen der portugiesischen Präsidentschaft und auch gegen den Vorschlag des Europäischen Parlaments stelle. Beim Rat am 26. Mai in Brüssel habe sie eine reduzierte Anzahl von Rechtsvorschriften, keine Mindestkontrollrate und die Stärkung der landwirtschaftlichen Beratungsdienste gefordert. Köstingers "Blockadehaltung bedeutet, dass weiter ungehindert Subventionen in voller Höhe auch für Betriebe fließen, die Dumpinglöhne zahlen oder ihre Erntearbeiter nicht anmelden", so Global2000.

"Ich denke die Steuerzahler haben ein Recht darauf, dass alle Landwirtschaftsbetriebe EU-weit, die ja hoch subventioniert werden, sich an bestehende Gesetze halten", erklärt Maria Burgstaller, Agrarökonomin der AK Wien. "Es kann doch nicht sein, dass man sich ernsthaft dagegen verwehrt, dass Arbeitsrechte eingehalten und auch wirksam kontrolliert werden, indem man eine Mindestkontrollrate vereinbart", sagt sie in Richtung von Köstinger. "Damit schadet man eigentlich auch den ehrlichen Landwirten, die keine Dumpinglöhne zahlen und ihre Arbeitern ordentlich anmelden."