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Nichtalkoholische Fettleber bald häufigster Leberkrebs-Grund

Die nichtalkoholische Fettleber wird nach neuen Erkenntnissen spätestens im Jahr 2030 in Österreich wie Europa die häufigste Ursache für Leberkrebs sein.

Dies sagte der Direktor für Innere Medizin I der Innsbrucker Uni-Klinik, Herbert Tilg, im APA-Interview. In 80 bis 85 Prozent der Fälle sei eine solche Fettleber auf Adipositas, also starkes Übergewicht, sowie auf Typ-2-Diabetes zurückzuführen, erklärte Tilg und verlangte eine "nationale Anstrengung" in Sachen Prävention.

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Die neuen Erkenntnisse bezüglich der Häufigkeit von Leberkrebs würden sich aus Hochrechnungen aus Italien, Deutschland und Frankreich ergeben, sagte der preisgekrönte Experte und Top-Wissenschafter. 25 Prozent der Österreicher würden eine nichtalkoholische Fettleber aufweisen. "In ungefähr jedem achten von diesen Fällen bleibt es nicht harmlos, sondern die Betroffenen bekommen aus noch nicht genau erforschten Gründen im Laufe des Lebens eine Leberentzündung, Bindegewebsbildung, Vernarbung, eine Leberfibrose, eine Leberzirrhose. Zahlreiche in Folge dann einen Leberkrebs", veranschaulichte Tilg die möglicherweise ablaufende "Kaskade".

Verstärkt stelle man fest, dass Menschen mit nichtalkoholischer Fettleber "auch im Stadium der Nicht-Zirrhose" Leberkrebs entwickeln, betonte der Internist und Gastroenterologe. Bei Leberkrebs handle es sich um Prozesse, die über Jahrzehnte entstehen und in erster Linie Menschen mittleren Alters und Ältere betreffen. "Mit 50 Jahren fängt es meistens an und nimmt dann mit 60 zu", erklärte Tilg und ergänzte: "Es ist aber nicht eine Erkrankung von sehr alten Menschen". Hinzu komme: Die Fettlebererkrankung entwickle sich meistens schon sehr früh, bevor es dann in späteren Jahren zum Ausbruch von Komplikationen kommt.

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"Es handelt sich jedenfalls um eindrängendes Problem, das zunehmen wird", machte der Experte deutlich. Man müsse gesamtgesellschaftlich endlich alles unternehmen, Fettleibigkeit vorzubeugen, indem man einen starken Fokus auf Präventionsarbeit lege. "Denn wir wissen mittlerweile, wohin das führt. Nicht nur zu einer hohen Rate an Diabetes, sondern auch zu einer hohen Rate an Fettleberkrankungen mit Komplikationen. Die einzige Chance ist eine frühere Intervention. Das geht aber nur in Zusammenarbeit mit der Nahrungsmittelindustrie", mahnte der Mediziner, der bereits im APA-Interview vor zwei Jahren eine Reglementierung des Zuckergehalts bei Nahrungsmitteln gefordert hatte. "Allein, dass es noch Werbung für Kindersüßigkeiten gibt. Das ist ja eigentlich ein völliger Wahnsinn", kritisierte Tilg. Die Gesundheitspolitik sie hier sehr gefordert. Für rund 80 Prozent der nichtalkoholischen Fettleber-Fälle habe man also einen Ansatz, nutze ihn aber nicht. Medikamente gegen die Krankheit gebe es übrigens noch nicht, so Tilg: "Das ist noch ein weiter Weg".

Indes wartete Tilg in Sachen nichtalkoholischer Fettleber mit einer soeben erschienenen "eingeladenen Übersichtsarbeit" im Online-Fachjournal "Nature Metabolism" auf, in der die gesamten Erkenntnisse über die Krankheit dargelegt werden. Bestandteil davon ist unter anderem die Tatsache, dass zehn bis 20 Prozent der Betroffenen eine solche Fettleber nicht aufgrund von Übergewicht entwickeln - man spricht dabei von "Lean Nash", der entzündlichen Variante der Erkrankung bei Normalgewichtigen. Die Gründe dafür seien noch nicht genau erforscht.

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Dargelegt wird laut Tilg in der Arbeit vor allem auch, dass die Immunologie bei der Krankheit eine große Rolle spielt. "Wir gehen davon aus, dass es durch Übergewicht, Diabetes usw. zu einer Störung der Keimwelt im Darm kommt. Die Keimwelt gerät quasi außer Kontrolle. Sie dringt in die Leber vor, die auch mit Bakterien besiedelt wird. Es kommt zu einer entzündlichen Reaktion in der Leber und einer Immunreaktion", schilderte Tilg quasi die Verkettung und Mechanismen "hinter den Kulissen". Diese entzündungs- immunologischen Aspekte habe man erst in den vergangenen Jahren mehr und mehr "realisiert". "Das komplexe Immunsystem spielt bei dieser Erkrankung eine fundamentale Rolle", unterstrich der Internist. Die Stärke der Übersichtsarbeit sei, dass gesamtheitlich dargestellt wird, wie eine Stoffwechselerkrankung über die sich verändernde Keimwelt "krankmachend in der Leber wirkt".