APA - Austria Presse Agentur

Norwegen erforscht grüne Auswege aus Öl und Gas

Norwegen schöpft seinen Wohlstand aus reichen Öl- und Gasvorkommen, die in erster Linie exportiert werden.

Dennoch speist sich das Land gleichzeitig fast ausschließlich aus Wasserkraft und setzt auf Elektromobilität. Dieser konfliktbeladene Spagat wird durch Ukraine-Krieg und Klimakrise nicht eben einfacher, zeigte sich bei einer Studienreise des Forschungsnetzwerks ACR (Austrian Cooperative Research). In der Forschung sind Energie- und Umweltthemen entsprechend prominent vertreten.

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Die Entdeckung des Erdölfelds "Ekofisk" in der Nordsee im Oktober 1969 hat einen beispiellosen Wirtschaftsboom ausgelöst und Norwegen zu einem der reichsten Länder der Welt gemacht. Die Einnahmen aus dem Fördergeschäft laufen in den "Pensionsfonds Ausland" und fungieren als Versicherung für künftige Generationen, wenn einmal nicht mehr nach Öl gebohrt werden kann. Wert des Ölfonds mit Stand März 2022: 1,16 Billionen Euro. Rund 200.000 der 5,4 Mio. Einwohner sind direkt oder indirekt in der Ölindustrie beschäftigt. Doch dieses Geschäftsmodell ist angesichts der Klimakrise längst nicht mehr unumstritten.

Anhaltende Diskussionen in der Erdölpolitik

War schon der Wahlkampf im Herbst 2021 von der künftigen Erdölpolitik geprägt, dürfte sich die Diskussion um einen möglichen Ausstieg aus der Öl- und Gasförderung durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und den erhöhten Bedarf Europas nun wohl noch eine Weile fortsetzen. "Diese Zeit des Wandels und der Unsicherheit beeinflusst das Forschungs- und Innovationssystem stark", erklärte Anne Fahlvik vom norwegischen Forschungsrat.

Die Dauer des bereits eingeleiteten Übergangs von der Öl- und Gasabhängigkeit müsse wegen des Krieges zwar politisch neu diskutiert werden, der umweltfreundliche Kurswechsel stehe aber fest. Anreize dafür liefere zum Beispiel die im Mai 2020 gegründete und für drei Jahre mit einer Mrd. Kronen (rund 100 Mio. Euro) dotierte "Grüne Plattform". Diese soll grüne und nachhaltige Investitionen stimulieren und dabei helfen, das Regierungsziel, Nicht-Öl-Exporte bis 2030 um 50 Prozent zu steigern, zu erreichen.

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Vergleich mit österreichischem Innovationssystem

Das norwegische und österreichische Innovationssystem sind gemessen an Rankings auf Augenhöhe. Unterschiede treten vor allem in der thematischen Ausrichtung zutage, denn Norwegen fokussiert die Forschung vor allem auf die Bereiche Arktis, Klimawandel, erneuerbare Energien, Gesundheit und Pflege, maritime Wirtschaft, Bildung oder auch gesellschaftliche Herausforderungen. Im Global Innovation Index 2021 der UN-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO) kommt Norwegen unter 132 untersuchten Ländern in der Gesamtwertung auf Rang 20, Österreich auf Rang 18.

Auffällig ist, dass Norwegen bei den Input-Faktoren an 13. Stelle (Österreich: 16.), beim Output aber nur an 28. Stelle (Österreich: 24.) liegt - Investitionen in Innovationen werden also nicht unbedingt effizient auf die Straße gebracht. Auch die Zahl der Patenteinreichungen ist seit 2017 (1.684) kontinuierlich gefallen und steht nun bei rund 1.500 (2020), während in Österreich im gleichen Zeitraum eine leichte Steigerung von 4.298 auf 4.427 zu verzeichnen war. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gibt Norwegen laut OECD 2,3 Prozent für Forschung und Entwicklung aus, Österreich 3,2 Prozent (2020).

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Gut vernetzt

Obwohl Norwegen kein EU-Mitglied ist, beteiligt es sich rege an europäischen Forschungsprojekten. Mit einer Erfolgsrate von 15,1 Prozent liegt das Land etwa bei Projektbewerbungen für das im Auslaufen befindliche EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 deutlich über der durchschnittlichen Bewilligungsquote von 11,9 Prozent. Mit Österreich gab es innerhalb von Horizon 2020 über alle Bereiche hinweg 474 Kollaborationen (Platz zehn), am häufigsten kooperierte man mit Deutschland (1.148 Projekte).

Die gelungene internationale Zusammenarbeit ist auch jener Punkt, den sich ACR-Präsidentin Iris Filzwieser am ehesten zum Vorbild nehmen würde: "Man sieht, wie gut man sich arrangieren kann, wenn man gut vernetzt ist, Teamarbeit macht und international arbeitet. Das war für mich eines der beeindruckendsten Ergebnisse."

Der ACR-Verbund wird ab Juni von 17 auf 19 Mitglieder anwachsen, darunter das Zentrum für Soziale Innovation (ZSI). "Das ZSI ist in Österreich unter den Top 20, was das Einwerben von EU-Fördermitteln betrifft", erhofft sich ACR-Geschäftsführerin Sonja Sheikh einen Zugewinn an Know-how für das gesamte Netzwerk. Dass nicht basisfinanzierte Forschungseinrichtungen in Norwegen eine staatliche Ko-Finanzierung für EU-Forschungsprojekte und damit gut ein Drittel der Kosten zugeschossen bekommen, wäre auch für Österreich ein massiver Hebel für eine stärkere Beteiligung von KMU an internationaler Forschung, so Sheikh.