APA - Austria Presse Agentur

Novavax-Impfstoff ist Gentechnik pur

Wer wegen des dazu oft genannten Begriffs "Totimpfstoff" nach sozusagen "bewährten Rezept" - auf etwas "Natürliches" hofft, geht aber fehl.

Mit dem Novavax-Spaltimpfstoff (NVX-CoV2373) hat die Europäische Arzneimittelagentur EMA die Empfehlung zur bedingten Zulassung des fünften Covid-19-Impfstoffs in der EU ausgesprochen, der die EU-Kommission bereits gefolgt ist. Wer wegen des dazu oft genannten Begriffs "Totimpfstoff" nach sozusagen "bewährten Rezept" - auf etwas "Natürliches" hofft, geht aber fehl. Dahinter steckt Gentechnik pur. Die Hauptsache: Die Schutzwirkung beträgt rund 90 Prozent.

Bei der Novavax-Vakzine wäre es jedenfalls besser, von Protein- oder Spaltimpfstoff zu sprechen. Enthalten ist als Antigen nur biotechnologisch produziertes Spike-Oberflächenprotein von SARS-CoV-2. Klassische Totimpfstoffe bestehen hingegen aus abgetöteten Ganzvirus-Partikeln mit mehreren Protein-Bestandteilen.

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"Die Herstellung der Spike-Protein-Antigene erfolgt in einem Baculovirus-Insektenzell-Expressionssystem (IC-B EVS). Gentechnisch mit dem Spike-Gen von SARS-CoV-2 modifizierte Baculoviren vermehren sich in einer Zelllinie (Sf-9-Zellen), die von den Ovarien (Eierstöcken; Anm.) des Nachfalters Spodoptera frugiperda abgeleitet wurden", schrieb dazu die deutsche Pharmazeutische Zeitung zum Prinzip des neuen Spaltimpfstoffes gegen Covid-19.

Bei der Novavax-Vakzine produzieren die Sf-9-Zellen die Spike-Proteine durch zwei künstlich herbeigeführte Mutationen in einer ganz bestimmten dreidimensionalen Struktur. Zusätzlich soll eine weitere Mutation die Antigene vor dem Abbau durch Enzyme schützen.

Einem Virus nicht unähnlich

Der Clou, der zum "fertigen" Impfstoff führt: Während der Reinigung für die Vakzine lagern sich die Spike-Proteine spontan zusammen und bilden Partikel, die in ihrer Struktur Viren ähneln. Diese Virus-ähnlichen Partikel (Virus-like Particles - VLPs) weisen je bis zu 14 S-Proteinkomplexe auf. Die VLPs mit den S-Proteinen werden nach der Impfung vom menschlichen Immunsystem fälschlicherweise als SARS-CoV-2-Viren erkannt, worauf es zur Bildung von neutralisierenden Antikörpern kommt.

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Die Biotechnologie hat auf diesem Gebiet schon eine längere Tradition. Auch die Hepatitis-B-Vakzine und der unter anderem vor Gebärmutterhalskrebs schützende Impfstoff gegen Human Papilloma-Virus-Infektionen (HPV) bestehen aus gentechnisch produzierten Antigenen. VLPs sind beispielsweise die Träger der Antigene beim HPV-Impfstoff.

Mit Baculoviren als Genfähren für die Produktion von Impfantigenen in Insektenzell-Kulturen gibt es - sonst werden Antigene für Spaltimpfstoffe oft in Säugetierzell-Linien hergestellt - ebenso Jahrzehnte an Erfahrung: 1991 erprobten Wissenschafter am nationalen US-Institut für Allergien und Infektionskrankheiten (Leiter: Anthony Fauci) an Probanden eine experimentelle HIV-Aids-Vakzine. In den durch Baculoviren veränderten Insektenzellen wurde damals das Aids-Virus-Oberflächenprotein GP160 produziert. Die Versuche schlugen - genauso wie Dutzende andere für Aids-Vakzine - fehl: Weil das Glykoprotein 160 offenbar zu wenig immunogen für eine schützende Wirkung gegen eine HIV-Infektion ist.

Noch unklar, wie die Reaktion auf Fluchtvarianten ist

Spaltimpfstoffe haben aber ihre Einschränkungen. Die deutsche Pharmazeutische Zeitschrift: "Allerdings muss man bei Spaltimpfstoffen auch Nachteile in Kauf nehmen. Der relevanteste Nachteil besteht darin, dass NVX-CoV2373 nicht die Synthese spezifischer zytotoxischer T-Zellen (CD8-positive Zellen) induzieren kann." Diese zytotoxischen Zellen sind bei Virusinfektionen für die Abtötung infizierter Zellen verantwortlich und stellen neben den Antikörpern die zweite Säule der Immunantwort dar. "Damit steht eine wichtige Abwehrstrategie des Immunsystems, die Zerstörung der mit Viren infizierten Zellen, nicht zur Verfügung. Dies gewinnt derzeit große Relevanz im Kontext der Diskussion zu immunologischen Fluchtvarianten, zu denen auch die Omikron-Variante zählt", so die deutsche Fachzeitschrift.

Gemeinsam ist Spalt- und klassischen Totimpfstoffen, dass in den Vakzinen zumeist auch ein Adjuvans zum Einsatz kommt, um die Immunantwort nach der Impfung zu verstärken. Die Apothekerzeitschrift: "Zudem ist das Adjuvans Matrix M enthalten. Dieses besteht aus Saponinen, die aus der Rinde des chilenischen Seifenrindenbaumes (Quillaja saponaria) extrahiert wurden. Der Zusatz eines Adjuvans ist erforderlich, da hoch gereinigte Proteine in Spaltimpfstoffen oft nur eine schwache Immunabwehr induzieren. Eine Dosis des Impfstoffs enthält fünf Mikrogramm Antigen und 50 Mikrogramm Adjuvans." Saponine sind Bitterstoffe, die zum Beispiel im Bier für den Schaum sorgen, ebenso für die Schaumkrone bei Verwendung von Shampoos.

In einer Phase-III-Studie auf Wirksamkeit und Verträglichkeit mit rund 30.000 Probanden in Großbritannien wurde mit zwei Dosen der Novavax-Vakzine im Abstand von drei Wochen (je fünf Mikrogramm Antigen) eine Schutzrate von fast 90 Prozent erzielt. Diese und eine weitere derartige Studien in den USA mit ebenfalls rund 30.000 Probanden wurde allerdings in einer Zeit durchgeführt, in der fast nur der Wuhan-Wildtyp und die sogenannte Alpha-Variante (USA) der Covid-19-Erreger vorkamen.

Bei der Beta-Variante kam es in einer kleineren wissenschaftlichen Untersuchung (Phase-IIb) zu einem etwa 60-prozentigen Schutz vor symptomatischen Covid-19-Erkrankungen. Die deutsche Pharmazeutische Zeitung: "Die Studien zur Wirksamkeit von NVX-CoV2373 wurden durchgeführt, bevor die aktuell dominante SARS-CoV-2 Variante Delta und die sich schnell ausbreitende Variante Omikron zirkulierten. Folglich lässt sich nur schwer vorhersagen, wie der Impfstoff vor Covid-19-Erkranungen schützt, die durch diese beiden Varianten verursacht werden."

Eine dritte Teilimpfung mit der Novavax-Vakzine dürfte aber laut einer in den USA und in Australien derzeit durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchung "ermutigende" Ergebnisse bezüglich der damit erreichten Antikörper-Konzentrationen gegen SARS-CoV-2 der Varianten Alpha, Beta und Delta gebracht haben. Gegen Omikron wurde die Vakzine noch nicht getestet.

Die mögliche Zukunft: Mit einem klassischen Totimpfstoff aus abgetöteten Ganzvirus-Partikeln als Antigene - zum Beispiel vom französisch-österreichischen Unternehmen Valneva - könnte im kommenden Jahr in Europa dann auch dieses Impfstoffprinzip zur Verfügung stehen. Damit gäbe es dann Covid-19-Vakzine auf der Basis aller verfügbaren Technologien für Totimpfstoffe. Auch für die Valneva-Vakzine (VLA2001) ist ein Adjuvans-Zusatz vorgesehen.