APA - Austria Presse Agentur

ÖBB-Mitarbeiter wegen Bestechlichkeit in Wien vor Gericht

Bestechung bzw. Bestechlichkeit ist am Freitag am Wiener Landesgericht einem langjährigen Außendienstmitarbeiter eines Großhandelsunternehmens und zwei bei einem ÖBB-Tochterunternehmen Beschäftigten vorgeworfen worden. Letztere sollen sich jahrelang vom 54-jährigen Erstangeklagten "schmieren " haben lassen, indem sie bei dem Hersteller von Werkstatt-, Montage- und Befestigungsartikeln Bestellungen tätigten, die die ÖBB-Tochter großteils gar nicht benötigte.

Im Gegenzug erhielten die 55 und 57 Jahre alten Männer Goodies, die als i-Pakete, Treuezahlungen oder Bonuspunkte bezeichnet bzw. verschleiert wurden. Ab einem bestimmten Bestellwert gab es für beide am Jahresende ein finanzielles Zuckerl, Autobahn-Vignetten und ein nagelneues iPhone, ein iPad oder ein schickes Fernsehgerät. "Das Ganze hat funktioniert wie ein Selbstbedienungsladen", sagte Oberstaatsanwalt Bernhard Weratschnig von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Er unterstellte den beiden ÖBB-lern, teils wahllos auf Kosten ihres Arbeitgebers Zugersatzteile, Putzmaterial und Schmierstoffe bestellt zu haben, um "belohnt " zu werden. Dem ÖBB-Konzern sei dadurch im Tatzeitraum 2014 bis 2017 ein Schaden von annähernd 400.000 Euro entstanden - "konservativ geschätzt", wie Weratschnig betonte. Nur 40 Prozent dessen, was die zwei beim Erstangeklagten und einer zweiten Firma bestellt hatten, die Gegenstand eines separaten Ermittlungsverfahrens war bzw. ist, sei überhaupt benötigt worden: "Für den Rest gab es keine Verwendung."

Der Oberstaatsanwalt betonte, dass derartige Vorgänge bei den ÖBB durchaus keine Seltenheit waren. Losgelöst vom konkreten Fall habe die WKStA eine Fülle weiterer korruptionsanfälliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ÖBB-Konzern sowie zahlungswillige Zuliefer-Firmen ermittelt. Weratschnig erwähnte in diesem Zusammenhang insgesamt 450 Beschuldigte und 10.000 einzelne Bestechungsfakten.

Im gegenständlichen Fall verantworteten sich die Angeklagten unterschiedlich. Der Erstangeklagte räumte ein, dass der von der Anklage beschriebene Sachverhalt zutreffe. Es fehle allerdings "die subjektive Tatseite", sagte Peter Rezar, der Verteidiger des 54-Jährigen: "Er war dort angestellt und hat das System von seinen Vorgängern übernommen. Es hat das Bestellsystem schon gegeben, das unter bestimmten Voraussetzungen 'Zugaben' vorgesehen hat." Diese 'Zugaben' habe der Vorgesetzte seines Mandanten abgesegnet, es sei damit sogar nach außen um Kunden geworben worden: "In bestimmten Warenpaketen war die Vignette eingepreist." Der 54-Jährige sei insofern "nur Teil eines Rades" gewesen. "Ein Felsenfänger, könnte man sagen."

Die ÖBB-Beschäftigten gaben zu, Gelder und Geräte entgegengenommen zu haben, wobei sich beim 57-Jährigen die Bereicherung in überschaubaren Grenzen hielt. "Er hat nie Dinge bestellt, die nicht benötigt wurden", behauptete sein Verteidiger Thomas Mödlagl. Dass man trotzdem keine Gefälligkeiten für bestellte Artikel entgegennehmen dürfe, "hat sich bei den Beamten mittlerweile herumgesprochen. Damals hat er sich gefreut darüber." Sein Mandant habe damals allerdings "ein massives Alkoholproblem gehabt und stehe aufgrund dessen kurz vor dem krankheitsbedingten Vorruhestand.

Der 55-jährige ÖBB-ler bezieht bereits eine Invaliditätspension. Primär Schuld an allem trage der Erstangeklagte, "ein rhetorisch begabter, geschickter Verkäufer", meinte seine Verteidigerin Astrid Wagner. Ihr Mandant sei "ein einfach strukturierter Mensch, ein braver Arbeiter. Er hat sich einseifen lassen". Dass er über den Erstangeklagten im Lauf der Jahre rund 10.000 Euro, technische Geräte und Vignetten bekommen habe, die der 55-Jährige im Kollegen- und Bekanntenkreis regelrecht verschenkt haben soll, sei "aufgrund seines Niveaus" passiert, wie Wagner meinte: "Er hat sich nichts dabei gedacht. Er ist nicht wirklich der Intelligenteste." Ihr Mandant sei davon ausgegangen, "dass die bestellten Waren im Interesse der ÖBB sind".