APA - Austria Presse Agentur

ÖGB sieht in EU-Mindestlohn indirekt Vorteil für Österreich

Die derzeit in Verhandlung befindliche EU-Mindestlohnrichtlinie würde laut Gewerkschaftseinschätzung hierzulande "relativ wenig ändern". Österreich würde aber vor allem davon profitieren, wenn in Osteuropa die Löhne steigen und die Lohndumping-Gefahr abnehme, sagte der Leiter des ÖGB-Büros in Brüssel, Oliver Röpke, zur APA. Ziel der Richtlinie sei es, dass sich die "enormen Lohnunterschiede" in der Europäischen Union schrittweise annähern.

Die EU-Kommission hat im Oktober 2020 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, mit dem sie unionsweit angemessene Mindestlöhne für Arbeitnehmer und eine höhere Kollektivvertragsabdeckung fördern will. Die EU hat im Bereich der Lohnfindung aber keine Kompetenzen, die Richtlinie hat daher einen appellativen Charakter. Die Kollektivvertragsabdeckung liegt in Österreich bei 98 Prozent. Wenn die Richtlinie beschlossen würde, dann müssten EU-Staaten mit weniger als 70 Prozent Abdeckung einen Aktionsplan erstellen, um die KV-Abdeckung zu erhöhen.

Die heimische Regierung steht der EU-Mindestlohnrichtlinie vorerst kritisch gegenüber, "da dadurch in nationale, gut funktionierende Kollektivvertragssysteme eingegriffen werden könnte", teilte das Arbeitsministerium von Martin Kocher (ÖVP) am Donnerstag mit. Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) hatte Kocher zuvor in einem Brief zur Unterstützung des Richtlinienvorschlags aufgerufen. "Die kollektivvertragliche Autonomie der österreichischen Sozialpartner muss jedenfalls gewahrt bleiben, hier dürfen wir kein Risiko eingehen", so Kocher.

ÖGB-Vertreter Röpke sieht dieses Risiko nicht. "Wir sehen kaum Gefahren für das österreichische System. Der Vorschlag ist sehr vorsichtig formuliert." Der Richtlinienvorschlag biete nur Vorteile.

Röpke ist auch Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe im Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA). Der EWSA ist ein beratendes EU-Nebenorgan. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat gestern bei seiner Plenartagung mit breiter Mehrheit eine Stellungnahme verabschiedet, die den Vorschlag für eine Mindestlohnrichtlinie unterstützt. Eine Gegenstellungnahme der Arbeitgebergruppe, die die Richtlinie abgelehnt hat, fand keine Mehrheit.

Bis die EU-Mindestlohnrichtlinie final ausverhandelt ist, wird es wohl noch länger dauern. Röpke rechnet, dass die Verhandlungen noch "einige Zeit" dauern werden.