APA - Austria Presse Agentur

ÖKAS-Präsident gegen "Wohlpaket-Blase" und Sperren

Nach vermehrt tödlichen Skiunfällen, vor allem in Tirol, wird über Ursachen und Konsequenzen diskutiert. Neben den schwierigen Pistenverhältnissen wegen des warmen Wetters und dem fehlenden Schnee abseits zielt der Präsident des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit (ÖKAS), Peter Paal, vor allem auf die Eigenverantwortung der Skifahrer. Es mangle oft an "Ski-Fitness", zudem würden viele in einer "Wohlpaket"-Blase leben, die ihnen auch medial vermittelt werde.

Vehement sprach sich Paal im APA-Gespräch gegen Pistensperren aufgrund der Unfälle aus. Verbote und Wegsperren seien das "Allerletzte", diese hätten im alpinen Raum "nichts verloren", fand der Kuratoriumspräsident, der im "Zivilberuf" als Anästhesist und Intensivmediziner arbeitet, klare Worte. Die Skigebiets- bzw. Liftbetreiber würden keinesfalls unverantwortlich handeln oder könnten gar für die Unfälle in Haftung genommen werden. Noch dazu, wo die Pisten "sehr gut präpariert sind, für das, was derzeit geht". Man müsse ganz einfach an die Eigenverantwortung appellieren. Menschen, die unter diesen schwierigen Bedingungen Skifahren gehen wollen, müsse klar sein, dass sie sich kein "Wohlfühlprogramm" einkaufen können und gegen jegliche Gefahr abgesichert sind, ortete Paal da und dort auch eine gewisse "Vollkaskomentalität".

"Die Ski-Fitness sinkt"- dies war Paals eindeutiger "Befund" und seiner Ansicht nach ein wesentlicher Mitgrund für letztlich schwere Unfälle. Dies hänge unter anderem damit zusammen, dass die Bevölkerung während der Corona-Zeit weniger Möglichkeiten gehabt habe, dem Skivergnügen zu frönen. Und das betraf nicht nur die Gäste, sondern auch die Einheimischen. Die Pandemie bzw. die damit verbundenen Maßnahmen hätten aber nur einen generellen gesellschaftlichen Trend beschleunigt, nämlich dass sich die Menschen im Schnitt weniger bewegen bzw. sportlich betätigen. Besonders betroffen sei davon auch der Skisport. Dies sehe man an der geringeren Anzahl an verkauften Ski und am abnehmenden Kauf von Skitickets. Damit einhergehe natürlich, wenn man sich dann doch wieder einmal auf die Piste begibt, eine "fehlende Kontrolle des eigenen Körpers". "Es nützt der beste Formel-1-Bolide nichts, wenn der Pilot schlecht ist. Und bezogen auf das Skifahren muss man sagen: Die Piloten sind schlechter geworden", zog der ÖKAS-Präsident einen Vergleich.

Zu diesen erschwerenden Faktoren würden natürlich auch die schwierigen Pistenverhältnisse hinzukommen. Abseits der Piste liege aufgrund der Witterung fast gar kein Schnee - entsprechend seien die Sturzräume eingeschränkt und es komme in Fällen, wo die Menschen etwa durch Selbstüberschätzung oder hohes Tempo über den Pistenrand hinausgeraten, logischerweise zu umso gefährlicheren Situationen. Der erzeugte Kunstschnee mache die Pisten bereits in der Früh "pickelhart", fast wie auf einer Rennstrecke. Am Nachmittag würden dann oft "Schneehaufen" entstehen. Generell sei der Schnee - vor allem in Verbindung mit der derzeitigen Witterung - härter und mache das Skifahren um einiges schneller. Umso mehr sei Vorsicht und entsprechendes Können gefragt. Das Produzieren von Kunstschnee und das Fahren auf den "Schneebändern" generell stellte Paal nicht in Frage - es sei unerlässlich und vollkommen legitim, dies zu nützen, sonst könne man unter 2.000 Metern bald überhaupt nicht mehr Skifahren.

Bei aller Problematik wies der ÖKAS-Präsident aber auch darauf hin, dass die Zahl der auf Pisten Verunfallten in der bisherigen Wintersaison geringer als in der Saison zuvor sei. Man weise aber mehr tödliche Skiunfälle auf. Seit dem 1. November starben 13 Personen in Österreichs Skigebieten, davon in Tirol elf.

Dass Pistenbetreiber rechtlich für nicht-atypische Skiunfälle belangt werden können, schloss indes der Präsident des Österreichischen Alpenvereins und Jurist, Andreas Ermacora, gegenüber dem ORF Tirol aus. Laut Ermacora müssen die Betreiber nur gegen jene Gefahren Vorkehrungen treffen, mit denen die Wintersportlerinnen und Wintersportler nicht rechnen können, eben sogenannte "atypische Gefahren": "Wie zum Beispiel Abbrüche über steiles Gelände oder Löcher auf der Skipiste." Viele der tödlichen Unfälle seien auf Eigenverschulden zurückzuführen. "Wenn man über den Pistenrand hinausfährt und gegen einen Baum prallt, ist das sehr tragisch, man kann es aber dem Pistenbetreiber nicht anlasten", sagte Ermacora.

Es sei für die Betreiber derzeit schwierig, das richtige Maß zu finden. Hochsicherheitsnetze müssten nur bei ganz markanten Stellen aufgestellt werden. "Mehr als B-Netze aufzustellen ist eigentlich nicht üblich und wird auch von der Rechtsprechung nicht gefordert", so der Alpenvereinspräsident. Diese Netze würde aber oft nicht ausreichen, um schwere Unfälle zu verhindern. In Zukunft müssten sich Betreiber die Frage stellen, ob steile und eisige Pisten fallweise gesperrt werden müssen, wenn Verhältnisse wie momentan herrschen.

In den vergangenen Tagen hatten sich im Bundesland mehrmals schwere Skiunfälle ereignet, die in vier Fällen mit dem Tod endeten. Am 28. Dezember waren im Skigebiet Steinplatte in Waidring (Bezirk Kitzbühel) zwei 17-jährige Deutsche ums Leben gekommen. Die beiden Jugendlichen waren mit hoher Geschwindigkeit über den Pistenrand hinausgeraten und zu Sturz gekommen. Beide stürzten daraufhin über teils mit Steinen durchsetztem und kaum mit Schnee bedecktem Alm-bzw. Wiesengelände ab. Einen Tag später verlor ein 47-jähriger Belgier im Skigebiet St. Anton (Bezirk Landeck) die Kontrolle über seine Ski, kam von der Piste ab, prallte gegen einen Baum sowie Felsen und verstarb letztlich noch an der Unfallstelle. Und am Neujahrstag verunglückte eine 28-jährige Niederländerin am Hintertuxer Gletscher tödlich. Die Frau stürzte auf einem eisigen Steilstück, rutschte rund 100 Meter über die Piste talwärts, durchbrach ein Fangnetz und wurde 20 Meter in freiem Flug gegen einen Baum geschleudert. Zwei weitere Frauen wurden fast zeitgleich an derselben Stelle schwer verletzt.