Ökonom an EU: Im Welthandel nicht kleiner machen als man ist

Gabriel Felbermayr wechselt als Chef des deutschen IfW bald zum Wifo
"Europa darf sich nicht kleiner machen als es ist": Das fordert der Ökonom Gabriel Felbermayr, designierter Wifo- und Noch-IfW-Chef, bezogen auf den internationalen Handel. China etwa würde bevor es richtig reich werde, überaltern, ab 2040 werde es nicht weiterwachsen. Das Reich der Mitte sei zwar in einigen Branchen industrieführend. Es gebe aber auch ein geringes Pro-Kopf-Einkommen und eine Heerschar armer Menschen, relativierte Felbermayr bei einer Studienpräsentation.

"Wir haben mehr Einflussmöglichkeiten als man manchmal sagt. Der große Trumpf ist der Binnenmarkt. Um diesen Trumpf muss man sich viel mehr kümmern", betonte Felbermayr am Montag vor Journalisten. Der Binnenmarkt sei riesig und mit diesem könne man international stark auftreten und vor allem auch dafür sorgen, dass international europäische Standards übernommen werden.

Kostenminimierende internationale Unternehmen richten ihre Produktion nach den strengsten, oft in der EU gesetzten, Standards aus, und beliefern aber eine Vielzahl von Ländern einschließlich des Heimatmarktes, so das IfW mit Sitz im norddeutschen Kiel. Sie haben somit ein Interesse, ihre Regierungen dazu zu bewegen, die EU-Standards im Inland einzuführen, um so etwaige Kostenvorteile der Wettbewerber zu neutralisieren. Dies führt zu einer Extraterritorialisierung der europäischen Standards - ein Phänomen, das als "Brussels-Effect" bekannt ist. "Das muss auch ein Vienna-Effect, ein Berlin-Effect sein", sagte Felbermayr.

China sei auch bei weitem nicht der wichtigste Handelspartner Europas, das stimme nur für den Güterbereich. Insgesamt aber sei das keineswegs der Fall. "Eine Trennung zwischen Gütern und Dienstleistungen wird immer unsinniger." Für Gesamtlösungen seien immer Dienstleistungen ebenso wichtig wie Güter, erläuterte Felbermayr.

In der vom Wirtschaftsministerium bei IfW beauftragten Studie "Die geopolitischen Auswirkungen der US-chinesischen Konfrontation: Chancen für die EU-Handelspolitik?" heißt es unter vielen weiteren Punkten auch, dass die EU zum Teil auch profitiert, wenn sich die USA und China gegenseitig mit Zöllen belegten. "Aber es gibt auch den Schaden für die Weltwirtschaft, also insgesamt nur ganz schwach positive Effekte", so Felbermayr. "Es ist nicht so, dass wir hier zwischen Mühlsteine geraten."

Wenn Europa selbst einsteigen würde, es die Importzölle gegenüber China verdoppeln würde, käme es zu deutlichen Einbußen, warnte der Wissenschafter. "Die Verluste für Europa und Österreich würden sehr viel größer sein als es in den USA wegen des Handelsstreits der Fall ist." Gut wäre es, wenn das geplante Investitionsabkommen mit China wieder vorangetrieben würde.

Eine große Chance für die EU wäre es ebenso, den Handel mit Indien zu intensivieren. Insgesamt wäre der Abschluss von Handelsabkommen gut, weil es gut sei, Regeln zu haben, sagte Felbermayr. Es müsse der EU aber klar sein, dass dies nur gelingen könne, wenn man auch bereit sei, Zugeständnisse zu machen. Dies solle ohne Abschlägen beim Arbeitnehmer- und Umweltschutz geschehen.

"Europa kann nie nachhaltig profitieren vom Streit zwischen den USA und China", sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Sie forderte eine nachhaltige Handelsstrategie für Europa in der die Welthandelsorganisation (WTO) eingebunden werden müsse. Die Handelsstrategie brauche eine Balance zwischen einer Offenheit und nötiger Sicherheit. Gegenüber internationalen Partnern müsse auf Augenhöhe aufgetreten werden. Ein "gewisses Maß an Naivität", das Europa in der Vergangenheit an den Tag gelegt habe, gehöre "abgelegt".

"Europäische und österreichische Firmen müssen in den anderen Märkten jene Voraussetzungen finden, wie sie von anderen auch in Europa gefunden werden", forderte Schramböck. Speziell gegenüber China, müsse es der EU gelingen "hinter die Kulissen zu blicken". "Das wird nicht leicht, wäre aber sicher nicht schlecht": Dabei geht es der Politikerin um offene oder versteckte Subventionen für chinesische Unternehmen, die dazu führten, dass die europäische Konkurrenz dem Preisdruck nicht mehr standhalten könne.

Nach dem Brexit ist die EU hinsichtlich des Bruttoinlandsproduktes nur mehr die drittgrößte Wirtschaftsregion der Welt. Gemeinsam mit den USA wird die EU-27 allerdings noch lange Zeit eine höhere Wirtschaftskraft ausweisen als China, schreibt das IfW in seiner Studie. Europa ist nach wie vor die wichtigste Handelsmacht der Welt, wenn man Güter und Dienstleistungen zusammen betrachtet; für fast 60 Prozent der Länder ist die EU der wichtigste Exportmarkt.

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