APA - Austria Presse Agentur

Ökonomen mit Lob und Kritik für deutsche Coronahilfen

Die beschlossene Fortführung der Coronahilfen in Deutschland stößt bei Top-Ökonomen auf ein geteiltes Echo.

"Die Verlängerung von Kurzarbeitergeld und Hilfen für die Unternehmen sind zielführend und unausweichlich", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, am Mittwoch. "Wir müssen uns noch auf etwa zwei bis drei harte Jahre einstellen, bis unsere Wirtschaft wieder einigermaßen in Fahrt kommt." Es sei eine Illusion, dass solche Hilfen den Strukturwandel behinderten. Schließlich seien es vor allem junge Unternehmen und Mittelständler, die von der Krise besonders hart betroffen sind, die aber für den Strukturwandel und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft enorm wichtig seien.

Zurückhaltender gab sich der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (IfW), Gabriel Felbermayr. "Eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate ist angesichts der Tiefe des Wirtschaftseinbruchs nachvollziehbar, aber dennoch kritisch", sagte der Experte. "Je länger es verabreicht wird, desto eher drohen unliebsame Nebenwirkungen, weil zunehmend Betriebe mit Kurzarbeitergeld finanziert werden, die nicht mehr marktfähig sind." Damit werde der Strukturwandel gehemmt, ohne den keine stabile Wirtschaftsentwicklung möglich sei. Besser wäre es, die Eigenkapitalbasis von Unternehmen zu stärken - etwa über erweiterte Verlustabschreibungen, damit diese nach der Krise dort weitermachen können, wo sie vorher aufgehört hätten.

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Ähnlich sieht das Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Nach dem Corona-Schock war es richtig, den Unternehmen durch ein großzügig geregeltes Kurzarbeitergeld und andere Maßnahmen zu helfen, die massiven Umsatzrückgänge zu überleben", sagte er. "Werden die Hilfen nun verlängert, haben grundsätzlich gesunde Unternehmen mehr Zeit, die Folgen der Coronakrise zu verdauen." Aber je länger die Hilfen gewährt werden, desto mehr würden auch eigentlich nicht überlebensfähige Unternehmen künstlich am Leben erhalten. "Diese können wegen der weiter ausgesetzten Insolvenzanzeigepflicht gesunde Unternehmen anstecken und gefährden", sagte Krämer. "Das Ganze ist eine Gratwanderung."

Die Große Koalition hat sich in der Nacht darauf geeinigt, viele der milliardenschweren Corona-Hilfen für Unternehmen und Beschäftigte erneut um mehrere Monate zu verlängern. Dazu gehören das Kurzarbeitergeld, Überbrückungshilfen für Unternehmen, eine weitere Aussetzung der Antragspflichten für Insolvenzen sowie der erleichterte Zugang zu Grundsicherungssystemen etwa für Soloselbstständige.

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Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kann sich damit anfreunden. "Mit den verabschiedeten Maßnahmen beweist die Große Koalition, dass sie den Ernst der Lage erkannt hat", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. "Die Verlängerung von stabilisierenden Maßnahmen wie Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Betriebe sowie Lockerungen im Insolvenzrecht sind notwendig, um die geschwächte Wirtschaft zu stabilisieren." Wer aus der Corona-Krise mit einer stabilen Industrie heraus wolle, müsse die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig stärken. "Deutschland hat bei wichtigen Standortfaktoren wie Unternehmensteuern, Infrastruktur und Energiekosten im internationalen Vergleich viel Luft nach oben", sagte Lang.

Die Maschinenbauer erklärten, die Verlängerung sei zwar im Grundsatz richtig. "Allerdings hätten wir uns im Detail an vielen Stellen ein anderes Ergebnis gewünscht – von der Frage der Laufzeit bis hin zu den Bedingungen, unter denen das Kurzarbeitergeld gewährt wird", sagte der Präsident des Branchenverbandes VDMA, Carl Martin Welcker. Er kritisierte, dass die Koalition die Rückerstattung der Sozialbeiträge zum Teil an Weiterbildungsmaßnahmen knüpfe. "Das verteuert die Kurzarbeit und könnte Personalabbau fördern."