APA - Austria Presse Agentur

ÖsterreicherInnen griffen im ersten Lockdown nicht zu mehr Drogen

Die Österreicher haben im ersten Covid-19-Lockdown nicht zu mehr Suchtmitteln gegriffen. Bei Zigaretten und bei Schlaf- und Beruhigungsmitteln waren Frauen allerdings stärker gefährdet.

Stark abgenommen hat im Frühjahr 2020 hingegen das Engagement im Glücksspiel. Das hat eine repräsentative Online-Erhebung unter 6.000 Menschen des Kompetenzzentrums Sucht (Gesundheit Österreich - GÖG) ergeben. Sie wurde jetzt mit dem Drogenbericht 2020 der Institution veröffentlicht. Um potenziell süchtig machendem Konsumverhalten im ersten Lockdown in Österreich auf den Grund zu gehen, wurde zwischen April und Anfang Juni eine repräsentative Bevölkerungsumfrage zu Konsumgewohnheiten und -motiven mit rund 6.000 Befragten online durchgeführt. Abgefragt wurden der Konsum von Alkohol, Tabakprodukten, illegalen Drogen und Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie die Nutzung von Glücksspiel und Computerspielen.

Martin Busch, Abteilungsleiter des Kompetenzzentrums Sucht der GÖG GmbH als nationale Forschungs- und Planungseinrichtung im Gesundheitswesen, erklärte zu den Hauptergebnissen gegenüber der APA: "Das Interessante ist, dass sich beim Konsumverhalten in der Allgemeinbevölkerung durch die Krise im Zuge des ersten Lockdown im Frühjahr 2020 keine massive Veränderung ergeben hat. Das gilt für die Allgemeinbevölkerung. Bei einzelnen Gruppen gab es aber Schwankungen. Zum Beispiel tendierten die Raucherinnen zu mehr Zigarettenkonsum. Frauen berichteten auch vermehrt von der Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Das dürfte damit zusammenhängen, dass viele, zum Beispiel alleinerziehende Mütter im Home-Office, besonders unter Stress standen. Wegen Wegfalls der Gelegenheiten kam es jedenfalls zu einem starken Rückgang beim Glücksspiel und bei Sportwetten."

Alkohol: Etwa 85 Prozent der Befragten hatten im Jahr vor der Coronakrise Alkohol getrunken. "Von diesen Personen hat wiederum die große Mehrheit ihr Konsumverhalten infolge der Corona-Krise nicht verändert (71 Prozent). Die Anteile der Personen, die ihren Konsum reduziert (16 Prozent) bzw. gesteigert haben (13 Prozent) sind ähnlich groß", heißt es in der Umfrage. Allerdings, während 44 Prozent der 15- bis 34-Jährigen ihren Alkoholkonsum steigerten oder reduzierten, war das nur bei 14 Prozent der über 65-Jährigen der Fall.

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17 Prozent gaben an, im Monat vor der Covid-19-Pandemie täglich geraucht zu haben. 15 Prozent berichteten von einer Abnahme des Zigarettenkonsums während der problematischen Zeit, 17 Prozent von einer Zunahme. Aber: "Ein Fünftel der rauchenden Frauen haben seit Corona ihren Zigarettenkonsum gesteigert (21 Prozent). Bei den Männern beträgt der Anteil nur 14 Prozent", stellen die Fachleute fest.

Beim Cannabis-Konsum dürfte es im Zuge von Lockdown und Corona-Krise eher zu einer Reduktion gekommen sein. Der Grund: Viele der Befragten Cannabis-Benutzer erklärten, dieses nur in Gesellschaft zu rauchen.

"Etwa fünf Prozent der Befragten geben an, im letzten Jahr Cannabis konsumiert zu haben. Zwei Drittel dieser Personen geben an, dass die Coronakrise keinen Einfluss auf ihren Cannabiskonsum hatte. Der Anteil der Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten, die nach eigenen Angaben seitdem weniger Cannabis rauchen (20 Prozent), ist größer als der Anteil jener, die seit der Corona-Krise mehr Cannabis rauchen (14 Prozent)", heißt es in der Umfrage.

Neun Prozent der Befragten hatten schließlich nach eigenen Angaben vor der Krise (zwölf Monate) rezeptpflichtige Schlaf- oder Beruhigungsmittel eingenommen. Etwa 80 Prozent dieser Personen erklärten, daran habe sich nichts geändert. Frauen berichteten allerdings doppelt so häufig wie Männer davon, seit der Coronakrise mehr solcher Medikamente einzunehmen.

Für Personen mit einer Tendenz zu Glücksspielen und Sportwetten war der erste Lockdown jedenfalls, was die Suchtgefahr und die Finanzen betraf, ein Positivum. 48 Prozent hatten im Jahr davor gespielt. 54 Prozent berichteten von einer Abnahme in diesen Aktivitäten, nur vier Prozent von einer Zunahme (42 Prozent ohne Veränderung). Hier dürften einfach die Gelegenheiten gefehlt haben.

Hingegen nahm bei jenen 63 Prozent, welche im Jahr vor Covid-19 Computerspiele gespielt hatten, bei einem Drittel (32 Prozent) diese Aktivität zu, nur bei sechs Prozent kam es zu einer Reduktion (54 Prozent keine Veränderung).

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Fazit, so die Autoren: Frauen waren bezüglich verwendeter Substanzen mehr gefährdet als Männer. Das konnte bei Alkohol, Tabak und vor allem bei Schlaf- und Beruhigungsmittel nachgewiesen werden. "Frauen berichten doppelt so häufig davon, seit Corona mehr Schlaf‐ und Beruhigungstabletten einzunehmen wie Männer. 21 Prozent der Raucherinnen berichten von einer Steigerung des Zigarettenkonsums. Männer berichten hingegen häufiger als Frauen von einer Reduktion ihres jeweiligen Konsums (z.B. 19 Prozent der Alkoholkonsumierenden)."

An sich hat sich 2019 allerdings im Drogenkonsum der Österreicher laut dem Epidemiologiebericht Sucht (2020) wenig geändert. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass in Österreich 31.000 bis 37.000 Menschen einen risikoreichen Opioidkonsum (Heroin etc.; Anm.) - großteils in Form von Mischkonsum - haben (Prävalenzschätzung). Etwa die Hälfte der Drogenkonsumenten mit risikoreichem Opiatkonsum (19.587) befand sich 2019 in Substitutionsbehandlung mit oralen Opioiden. Zwar stieg die Zahl der Drogentoten (Überdosierungen) 2019 auf 196 an (2018: 184; 2017: 154), das ist aber laut den Autoren vor allem auf Todesfälle unter bereits viele Jahre Suchtkranken im höheren Alter zurückzuführen. Immer weniger jüngere Menschen wachsen in diese Risikogruppe hinein.

Noch viel aufzuholen hätte Österreich im Kampf gegen den Tabakkonsum. "Im europäischen Vergleich (EHIS 2014) liegt Österreich bei den täglich Rauchenden (über 15 Jahre; Anm.) mit einem Wert von 24 Prozent über dem EU-28-Durchschnitt von 19 Prozent im oberen Viertel. Der EU-28-Durchschnitt bei Rauchenden gesamt (täglich und gelegentlich) liegt bei 24 Prozent (in Österreich bei 30 Prozent)", heißt es in dem Report. Getrennt nach Geschlecht stehe Österreich bei den täglich rauchenden Frauen mit 22 Prozent an erster Stelle (EU-28-Durchschnitt bei Frauen: 16 Prozent). Bei den täglich rauchenden Männern liege Österreich mit 27 Prozent im europäischen Mittelfeld und über dem EU-28-Durchschnitt von 23 Prozent.

Auch beim Alkohol hat sich wenig geändert, beim problematischen Konsum (mehrjährig täglich 60 Gramm reinen Alkohols bei Männern, 40 Gramm für Frauen) gibt es seit Jahren eine Tendenz zu weniger Verbreitung. Jedoch zeige, so der Epidemiologiebericht Sucht, dass weiterhin "jeder siebente Österreicher/Österreicherin (19 Prozent der Männer und neun Prozent der Frauen) einen gesundheitsgefährdeten Konsum" aus der Flasche betreibe.