APA - Austria Presse Agentur

ÖVP mit Doppelstrategie im EU-Wahl-Rennen

Die ÖVP geht mit einer Doppelstrategie in die EU-Wahl. Neben dem schwarzen Zugpferd Othmar Karas soll die türkise Staatssekretärin Karoline Edtstadler Stimmen - vor allem der Anhänger von Kanzler Sebastian Kurz - bringen. Bei seiner ersten bundesweiten Wahl hat der junge Obmann wenig zu befürchten, die Umfragen verheißen der ÖVP den vierten Sieg in der sechsten EU-Wahl Österreichs.

"Europa ist in unserer DNA verankert", mit dieser Feststellung startete 2014 der damalige ÖVP-Generalsekretär und heutige Kanzleramtsminister Gernot Blümel den EU-Wahlkampf. So ganz unrecht hatte er damit nicht, denn unter dem früheren ÖVP-Politiker und Außenminister Alois Mock votierten am 12. Juni 1994 bei einer Volksabstimmung zwei Drittel der Österreicher für die EU-Mitgliedschaft - der zweifellos größte Erfolg des Niederösterreichers, der daher auch als "Mister Europa" galt.

Ein Titel, der auch dem neuerlichen Spitzenkandidaten und langjährigen Delegationsleiter im Europaparlament, Karas, gefallen würde. Der Niederösterreicher sitzt seit 1999 für die ÖVP im EU-Parlament und war zwischen 2012 und 2014 einer der 14 Vizepräsidenten des Hauses. 2009, als der damalige Parteichef Josef Pröll Ex-Innenminister Ernst Strasser als Spitzenkandidat installierte, organisierte Karas einen erfolgreichen Persönlichkeitswahlkampf und schaffte mit 112.954 Vorzugsstimmen den Sprung an den ersten Listenplatz. Nach Strassers Rücktritt in Folge der "Cash for Laws"-Affäre wurde er neuerlich Delegationsleiter. 2014 musste die Volkspartei mit Karas an der Spitze - auf seinen Plakaten suchte man das ÖVP-Logo vergeblich - zwar Einbußen hinnehmen, verteidigte mit 26,98 Prozent Platz 1 aber souverän.

Karas wurde auch immer wieder als möglicher EU-Kommissar genannt. Grundsätzlich gar nicht abwegig, auch würde er sich in der Rolle wohl gefallen - aber die mangelnde Zustimmung des neuen Koalitionspartners FPÖ lässt diese Überlegung illusorisch erscheinen. Überhaupt haben die Freiheitlichen Karas - aus ihrer Sicht Vertreter der "alten" ÖVP und damit nicht des aktuellen Regierungspartners - zu einem Lieblingsfeind im EU-Wahlkampf auserkoren. Dem Vernehmen nach hat Kurz den Kommissarsposten außerdem Edtstadler für ihr Antreten auf dem zweiten Listenplatz versprochen.

Für das Staatssekretariat im Innenministerium wird nach ihrem Wechsel eine Nachfolge gesucht. Auch wenn Karas in der Vergangenheit immer wieder von der neuen türkisen Linie abgewichen ist, gab es an ihm kein Vorbeikommen. Zu groß war offenbar die Befürchtung, er könnte mit einer eigenen Liste durchstarten und der ÖVP Stimmen kosten. Die Salzburgerin Edtstadler soll nun daher auf Platz 2 neben dem erfahrenen Europapolitiker frischen, vor allem türkisen Wind auf die Liste bringen.

Alle EU-Kommissare, die Österreich seit dem EU-Beitritt nach Brüssel entsandt hat, kamen aus der ÖVP. Der frühere Landwirtschaftsminister Franz Fischler hatte das Amt des EU-Agrarkommissars für zwei Funktionsperioden von 1995 bis 2004 unter den Kommissionspräsidenten Jacques Santer und Romano Prodi inne. In der ersten Barroso-Kommission von 2004 bis 2009 war dann die frühere Außenministerin Benita Ferrero-Waldner für die EU-Außenbeziehungen zuständig. Ihr folgte 2010 der frühere Wissenschaftsminister Johannes Hahn nach, der im ersten Barroso-Kabinett zunächst die EU-Regionalpolitik übernahm. In Jean Claude Junckers EU-Kommission ist Hahn seit 2014 für die EU-Erweiterung und für die Nachbarschaftspolitik zuständig.

Auf der ÖVP-Liste findet sich neben den etablierten Politikern auch wieder ein prominentes Fernsehgesicht, denn der Seniorenbund schickt den ehemaligen ORF-Moderator Wolfram Pirchner ins Rennen um Europa. Er ist nicht der erste ORF-Promi, den die ÖVP angeworben hat. 1996 holte man Ursula Stenzel, damals bekannt aus der "Zeit im Bild", als Spitzenkandidatin für die EU-Wahl. Sie wechselte nach zwei weiteren Kandidaturen sogar in die Kommunalpolitik und wurde 2005 Bezirksvorsteherin in der Wiener City - bevor sie später zur FPÖ übertrat. Neben Stenzel schickte die ÖVP bei der ersten Europawahl Österreichs 1996 auch Kaiserenkel Karl Habsburg ins Rennen. 1999 wurde der einstige Quereinsteiger allerdings wegen der World-Vision-Spendenaffäre nicht mehr aufgestellt.

Wer von den aktuell nominierten Kandidaten tatsächlich ins EU-Parlament einziehen wird, entscheiden bei der ÖVP die erzielten Vorzugsstimmen, vor allem die Bünde laufen daher für die von ihnen unterstützten Kandidaten. Aktuell verfügt die ÖVP im Europaparlament über fünf Mandate, laut Umfragen könnten es nach der Wahl sechs werden. Der erste Platz - und damit ein Erfolg für Bundesparteichef Kurz - scheint jedenfalls sicher.

Bei der letzten EU-Wahl 2014 erlitt die Volkspartei unter Michael Spindelegger zwar ein sattes Minus, verteidigte mit knapp 27 Prozent aber Platz 1. Den hatte sich die ÖVP bei der ersten Wahl 1996 etwas überraschend - und erstmals nach 30 Jahren Pause in Bundeswahlen - mit 29,7 Prozent geholt. 1999 musste sie ihn - trotz Ausbau des Stimmenanteils auf 30,7 Prozent - der SPÖ überlassen. Auch 2004 wurde es mit 32,7 Prozent nur Platz 2; und für die Volkspartei ging auch ein Mandat verloren, da Österreich insgesamt nur noch 18 statt 21 Sitze zur Verfügung standen. 2009 gab es trotz eines Verlusts (auf 30,0 Prozent) wieder einen Wahlsieg für die ÖVP, ebenso 2014 (27,0 Prozent).