"Office Ukraine" integriert geflüchtete KünstlerInnen

"Office Ukraine" integriert geflüchtete KünstlerInnen
Drei österreichische Kunstinstitutionen haben Ende Februar schnell reagiert und mit Unterstützung der öffentlichen Hand innerhalb weniger Tage das "Office Ukraine" ins Leben gerufen.

Zwei Monate nach Kriegsbeginn werden laut Angaben der Initiative derzeit etwa 300 ukrainische Künstlerinnen und Kulturschaffende betreut. Neben der Versorgung von Grundbedürfnissen gilt es, zu vernetzen und die Fortsetzung künstlerischer Aktivitäten zu ermöglichen.

Während die Ukraine für viele in Österreich vor wenigen Wochen noch Neuland war, kann dies für tranzit.org in Wien, in Graz sowie das Künstlerhaus Büchsenhausen in Innsbruck keinesfalls gelten: Neben dem allgemeinen Fokus auf Zentral- und Osteuropa war der von der Erste Stiftung subventionierte Verein tranzit.org 2015, ein zentraler Partner der Kiewer Biennale "The School of Kyiv", zeigt ähnliche Interessen und hatte in vergangenen Jahren etwa mit der Charkiwer Kunstszene kooperiert, und Büchsenhausen hatte 2021 etwa den bekannten ukrainischen Videokünstler Mykola Ridnyi (Ridnyj) zu Gast.

KünstlerInnen auf Augenhöhe begegnen

Als in den Tagen nach Kriegsbeginn klar wurde, dass die Fluchtbewegung aus der Ukraine auch eine größere Zahl an Künstlerinnen betreffen würde – Ukrainer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen bekanntlich derzeit nicht ausreisen – wurden die drei Institutionen aktiv. Mit Unterstützung von Kultur- und Außenministerium entstand innerhalb weniger Tage das "Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists", das sich für diese spezifische Gruppe bemüht.

"Die Idee war, dass man den geflohenen Künstlerinnen und Künstlern auf Augenhöhe begegnet, dass man für sie Ansprechpartner findet und der Einstieg hier schneller passiert", erläuterte Margarethe Makovec von in Graz.

Beifall für die österreichische Initiative gab es zuletzt auch aus dem Ausland. "Wir waren wirklich beeindruckt wie schnell diese vom Staat unabhängigen Kunstinstitutionen ihre Hilfsleistungen begonnen haben", sagte Andrea Křístek Kozárová, die von Bratislava aus tätige Präsidentin der International Association of Art (IAA) Europe, einem Zusammenschluss von internationalen Künstlervereinigungen, der APA. In der Slowakei gebe es nichts Vergleichbares, bedauerte sie.

"Wir sind in erster Linie eine Vernetzungsstelle", erklärte "Office Ukraine"-Mitarbeiterin Susanne Jäger. Derzeit würde man etwa 300 Künstlerinnen und Kulturschaffende aus der Ukraine in Büros in Wien, Graz und Innsbruck betreuen, sie seien teils mit Familie nach Österreich geflohen und daher sei in Summe von etwa 650 bis 700 Personen die Rede. Jäger und ihre Kolleginnen hatte sich am Dienstagabend an etwa 100 mehrheitlich ukrainische Besucherinnen und Besucher eines informellen Treffens im vom Museumsquartier zur Verfügung gestellten "Freiraum Ukraine" gewandt. Die Rede war hier auch davon, dass die Initiative weiterhin auf der Suche nach Wohnraum für Künstlerinnen sei, verwiesen wurde aber auch auf neue Stipendienprogramme des Kulturministeriums.

Kuratorin Hedwig Saxenhuber lud die Anwesenden zudem ein, sich aktiv in den "Freiraum" einzubringen, der ab dieser Woche mit Screenings und Präsentationen bespielt wird. Ab dem 6. Mai ist zudem die Ausstellung "Die Düfte der Erde" zu sehen, die sich mit einer historischen Expedition eines ukrainischen Künstlerehepaars zu einem indigenen Volk im Norden Russlands und Fragen des russischen Kolonialismus beschäftigt.

Bereits zuvor steht am Samstag eine Präsentation der ukrainischen Künstlerin Alewtina Kachidse am Programm: Kachidse, die ihre Wahrnehmung des Kriegsgeschehens in viel beachteten Zeichnungen festhielt, hatte vergleichsweise Glück: Ihr außerhalb der Hauptstadt Kiew gelegener Wohnort Musytschi entging haarscharf einer Eroberung durch russische Truppen, ihm blieb dadurch ein Schicksal à la Butscha und Irpin erspart. Ende Jänner hatte die bekannte Künstlerin im Gespräch mit der APA noch erklärt, möglichst wenige Gedanken in Bezug auf einen möglichen Krieg verschwenden zu wollen.

Nach den Ereignissen der vergangenen Wochen fällt dieses Ausblenden der nunmehr realen Kriegs freilich schwer. Die mit ihrem Sohn nach Österreich geflohene Mehrspartenkünstlerin Julija Makarenko aus Kiew erzählte der APA über Schlafstörungen sowie Erinnerungsprobleme, die viele ihrer Kolleginnen derzeit plagten. Sie beschrieb damit klassische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung. Makarenko, deren Gatte in der Ukraine bleiben musste, setzt auch in Graz ihre seit Jahren laufende Reihe von humorvollen Selbstporträts fort. "Das ist die einzige Möglichkeit Abstand zu gewinnen, pathetische Postings sind nicht meine Sache", sagte sie. Der Krieg habe ihr die Wohnung, das gewohnte Leben, Vergangenheit und Zukunft geraubt, sie selbst sei jedoch verschont geblieben, meinte sie. "Ich trotze ihm und versuche etwas zu machen, einen anderen Ausweg gibt es nicht", sagte sie. Zudem sei es auch wichtig, sich in Österreich als Künstlerin zu positionieren.

Eine Fotografin aus der Region Charkiw, die im Kriegsgebiet Verwandte hat, erzählte der APA indes von 20 extrem traumatischen Tagen unter russischer Besatzung. "Sie hatten einen Tagesplan: Zwischen sechs und neun Uhr war es ruhig. Dann haben sie mit in unserem Dorf aufgestelltem Mehrfachraketenwerfern und Kanonen begonnen, den Norden von Charkiw zu beschießen", berichtete sie. Die Kanonen hätten die Russen zwischen Häusern aufgestellt, im Dorf auch Panzer eingegraben, alle Häuser wurden geplündert und Männer, die seit 2014 im Osten der Ukraine Kriegsdienst geleistet haben, verschleppt. "Wir selbst waren einfach Kanonenfutter", sagte die Künstlerin, die schließlich über das russische Belgorod das Kriegsgebiet verlassen konnte. Sie reiste durch Russland nach Lettland und landete in Graz, wo bereits einige ihrer Künstlerkolleginnen aus Charkiw Zuflucht gefunden hatten.

"Wir haben mit meiner Gattin zunächst nicht daran gedacht, Kiew zu verlassen, wir sind ja nicht mehr die Jüngsten", erzählte Wassyl Mitschtschenko. Doch dann habe ihn sein im Ausland lebender Sohn kategorisch dazu aufgefordert. Bekannte einer österreichischen Bekannten hätten eine Wohnung in Wien zur Verfügung gestellt, deshalb sei man Österreich gekommen, sagte er der APA. Der 1949 geborene Kiewer, der in seiner Heimat mit bunten, expressionistischen Ölgemälden Erfolg hatte, ist angesichts von ukrainischen Ausreisebeschränkungen für Männer im wehrfähigen Alter einer der wenigen von "Office" unterstützen männlichen Künstler. "Ich möchte mich hier ein wenig künstlerisch weiterentwickeln", sagte er. Gleichzeitig berichtete er von Kontakten zu einer Galeristin in Wien und der Hoffnung, dass es auch hier zu eine Ausstellung seiner Bilder kommen könnte.

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