APA - Austria Presse Agentur

OGH ruft in VW-Skandal Europäischen Gerichtshof an

Im Skandal um manipulierte Abgaswerte bei VW-Autos hat der Oberste Gerichtshof (OGH) einen Beschluss gefasst, der betroffenen Fahrzeughaltern Hoffnung gibt. Als erstes Höchstgericht Europas hat der OGH die Frage der temperaturabhängigen Abschaltvorrichtung (Thermofenster) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt.

Anwalt Michael Poduschka, der zahlreiche VW-Fahrer vertritt, spricht von einem "sensationellen Erkenntnis". Der OGH sei weitestgehend seiner Argumentation gefolgt. "Es kann doch wohl laut OGH nicht sein, dass fast alle Automobilhersteller eine für Extremfälle gedachte Ausnahme im Gesetz (z. B. für minus 20 Grad) so weit auslegen, dass ihre Fahrzeuge die Luftqualität europaweit mehr als das halbe Jahr extrem beeinträchtigen", so der Rechtsvertreter am Mittwoch zur APA.

Der Mandant aus dem Bundesland Salzburg hatte Ende 2013 um 40.000 Euro einen VW Sharan gekauft. Die Klage gegen die Volkswagen AG und den Händler brachte er im November 2017 ein. In der Zeit dazwischen ist er etwa 100.000 Kilometer gefahren. Eingeklagt wurden daher 26.000 Euro (abzüglich der Nutzung des Fahrzeugs) samt vier Prozent Zinsen (das sind, vom Kaufpreis gerechnet, heute bereits um die 10.000 Euro) - gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Nach einer entsprechenden Aufforderung im Gefolge des Auffliegens des Dieselskandals ließ sich der Kläger das Softwareupdate von VW aufspielen. Die temperaturabhängige Abschaltvorrichtung, auch Thermofenster genannt, wurde bei diesem Update jedoch nicht beseitigt oder erst aufgespielt.

Die ersten beiden Instanzen, das Landesgericht Linz und das Oberlandesgericht Linz, wiesen die Klage ab. Das Landesgericht ging davon aus, dass der Käufer das Fahrzeug auch gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass eine Abschalteinrichtung eingebaut ist. Das zusätzliche Thermofenster sei rechtskonform, da es vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt genehmigt ist.

Das Thermofenster schränkt die Abgasreinigung auf einen bestimmten Temperaturbereich, nämlich auf 15 bis 33 Grad, ein. Ist es kühler oder wärmer, wird die Rückführung der Abgase zurückgefahren oder ganz deaktiviert. Für Länder wie Österreich bedeutet das, dass die entsprechenden Fahrzeuge mehr als das halbe Jahr mehr schädliche Emissionen ausstoßen.

Wie das Landgericht Stuttgart, das zum Thermofenster kürzlich ebenfalls den EuGH angerufen hat, bezweifelt auch der OGH die Rechtmäßigkeit dieser Vorrichtung. Er hat dem Gericht in Luxemburg daher drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (10 Ob 44/19x).

Die ursprünglich eingebaute Manipulationssoftware erkennt, wann sich ein Auto auf dem Prüfstand befindet und ist nur dann sauber. Auf der Straße werden Abgase ausgeblasen. Diese Vorrichtung ist verboten. Der EuGH soll nun klarstellen ob sich daran etwas ändert, wenn formal eine sozusagen erschlichene Typengenehmigung besteht.

Ob dieser Umstand für den Kunden beim Autokauf von Bedeutung war, ist grundsätzlich einmal nicht von Bedeutung, heißt es außerdem in dem Beschluss, der der APA vorliegt. Dass der Mangel durch die Verbesserung beseitigt wurde, muss VW bzw. der Händler beweisen.

Der OGH zweifelt stark daran, ob es in Ordnung ist, dass bei der Verbesserung eine neue temperaturabhängige Abschalteinrichtung verbaut bzw. nicht beseitigt wird. Zumal es in Österreich und Teilen der EU ein halbes Jahr unter 15 Grad hat, sich eine Abgasreinigung nur in Ausnahmefällen ausschalten darf und Ausnahmen eng auszulegen sind. Der EuGH soll daher sagen, ob es rechtlich zulässig ist, wenn ein Ausnahmetatbestand faktisch für den Regelbetrieb gelten soll. Allein das Vorherrschen "niedriger" Temperaturen entbindet die Autokonzerne nach Meinung des OGH "nicht vom Erfordernis des Funktionierens des Abgasrückführungssystems".

Weiters will der OGH vom EuGH wissen, ob der ursprüngliche Mangel, also die Manipulationssoftware, als geringfügig anzusehen ist, wenn der Käufer das Fahrzeug im Wissen um den Mangel gekauft hätte. Das Verfahren in Österreich ist jetzt so lange unterbrochen, bis sich der EuGH äußert.