APA - Austria Presse Agentur

Operation bei chronischen Rückenschmerzen nur im Notfall

Rund 1,9 Millionen Menschen bzw. 26 Prozent der Bevölkerung in Österreich leiden an chronischen Rückenschmerzen. Eine Operation ist aber beispielsweise auch bei einem Bandscheibenvorfall nur im Notfall zwingend, erläuterte Wilhelm Eisner von der MedUni Innsbruck am Mittwoch bei einer Pressekonferenz der Schmerzgesellschaft (ÖSG) in Wien. Die Leitlinien sollten besser bei den Patienten ankommen, hieß es. Gefordert wurde auch eine erweiterte Ausbildung in der Schmerzversorgung.

"Häufig ist der Bandscheibenvorfall das Ende einer Kette von Fehlverhalten", sagte Eisner. "Ich kann eine große Zahl an Patienten vor einer Operation bewahren", betonte der ÖSG-Vizepräsident, das spare Kosten. Eine Bandscheiben-OP mache 4.300 bis 7.900 Euro aus, Physiotherapie deutlich weniger. Teilweise sei nach einer Operation auch nur vier bis sechs Wochen alles gut, dann komme die ursächliche Fehlhaltung wieder und es gibt möglicherweise einen Rückfall, davon habe niemand etwas. Nicht jeder Patient oder jede Patientin wolle auch gleich operiert werden, berichtete Eisner. Er forderte eine Kostenübernahme der Gesundheitskasse, wenn sich jemand eine zweite Meinung bei einem anderen Arzt oder Ärztin einholt.

"Oberstes Ziel ist die körperliche Aktivierung", diese führe zu einer Besserung der Lebensqualität, sagte Gregor Kienbacher vom Physiotherapiezentrum Theresienhof in Frohnleiten. Komplementäre Verfahren könnten außerdem die Behandlungen ergänzen, sollten aber nur zur Begleitung der Schulmedizin eingesetzt werden. Eine der wichtigsten Behandlungsformen sei es, sich Zeit zu nehmen für den Patienten und diesen ernst zu nehmen. Auch ÖSG-Präsidentin Waltraud Stromer vom Landesklinikum Horn erinnerte an Bewegung zur Therapie und Vorbeugung von chronischen Schmerzen, nicht nur beim Rücken. Migränepatienten hätten beispielsweise bei regelmäßiger körperlicher Aktivität weniger Kopfschmerzattacken. "Ein Sportler ist nicht weniger schmerzempfindlich, aber er ist schmerztoleranter."

Von chronischen Schmerzen wird dann gesprochen, wenn diese länger als drei Monate andauern, erläuterte ÖSG-Generalsekretär Rudolf Likar. Dieser Zeitraum decke sich mit der Diagnose von Long Covid, was wiederum auch chronische Schmerzen umfassen kann. Bei den Betroffenen können neben anderen Long-Covid-Symptomen auch Gelenk-, Kopf- und Muskelschmerzen anhalten, berichtete der Mediziner vom Klinikum Klagenfurt am Wörthersee. Neben diesen direkten Auswirkungen habe die Pandemie auch indirekte auf bereits bestehende Schmerzpatienten gehabt. Ambulanzen seien im Lauf der Corona-Pandemie jedoch teilweise geschlossen gewesen und laut Studien habe sich der Schmerz bei chronischen Patienten verschlechtert in dieser Zeit und Krankheitsbilder wurden verstärkt.

Die Verantwortlichen in den Ministerien, Bundesländern und der Gesundheit Österreich GmbH haben sich dem Thema chronische Schmerzen jedoch "sehr ernsthaft angenommen", trotz Corona, Krieg und Inflation, versicherte ÖSG-Präsidentin Stromer. "Jetzt geht es darum, unsere hohen Qualitätsstandards auch tatsächlich bei den Patientinnen und Patienten ankommen zu lassen und auf allen Ebenen der Strukturplanung zu berücksichtigen." In Sachen Ausbildung sollen Jungmediziner vermehrt für die Schmerzmedizin begeistert werden, betonte Stromer. Likar forderte zusätzlich zum Schmerzdiplom, das aus 120 Stunden Theorie und 80 Stunden Praxis besteht und 1.420 Mediziner in Österreich abgeschlossen haben, ein Zertifikat für Schmerzmedizin im Krankenhaus einzuführen - mit weiteren 400 Stunden Praxis und 80 Stunden Theorie.

( S E R V I C E - ÖSG: https://www.oesg.at/ - Leitlinie Kreuzschmerz auf der Seite des Gesundheitsministeriums: http://go.apa.at/IaePfpML )