ORF-Chef Weißmann trotz "Challenge" bereit für mehr
Zweieinhalb Jahre ist es her, dass Weißmann gestützt durch mehrheitlich der ÖVP und den Grünen nahestehenden Stiftungsräten Alexander Wrabetz an der Spitze des ORF ablöste. Seitdem navigierte das öffentlich-rechtliche Medienhaus durch alles andere als ruhige Gewässer. Nicht nur mit den Ausläufern der Coronapandemie, der Besiedlung des multimedialen Newsrooms am Küniglberg und der Implementierung einer neuen Chefredakteursstruktur hatte Weißmann zu tun. Auch galt es intensive Gespräche zur mit Jahresanfang in Kraft getretenen ORF-Gesetzesnovelle zu führen. Sie brachte mehr Möglichkeiten im digitalen Raum und eine neue Finanzierung in Form einer Haushaltsabgabe statt der gerätegekoppelten GIS-Gebühr.
Es sei "einiges weitergegangen", meinte der 56-Jährige auch mit Blick auf den Start der Streamingplattform ORF ON, die Weiterentwicklung der Audio- und Social-Media-Strategie und die Erarbeitung eines Ethikkodex. Doch man stehe "nicht am Ende, sondern am Beginn der Transformation", zeigte er sich trotz kräftezehrender "Challenge" (auch für die mit niedrigen Lohnabschlüssen bedachten ORF-Mitarbeiter) bereit für mehr. "Es macht Spaß", auch wenn der ORF nicht immer eine "Wohlfühloase" sei.
Der Beschluss der Unternehmensstrategie 2030 ist für Herbst geplant, wobei es inhaltlich etwa um Innovation und Effizienzsteigerung gehen soll. Letztere könnte notwendig werden, sollte die FPÖ, die wiederholt einen schlankeren ORF und eine Abschaffung des ORF-Beitrags forderte, in Regierungsverantwortung kommen. "Wir sind schon sehr effizient", versicherte der gebürtige Linzer. Man beobachte die politischen Entwicklungen, richte aber keiner Partei etwas über die Medien aus. "Eine Regierung macht die Gesetze. Wir können nur sagen, wie wir unser Geld einsetzen und was die Nation demokratiepolitisch davon hat", so Weißmann, der sich überzeugt zeigte, dass weder er noch der ORF-Beitrag in den kommenden zweieinhalb Jahren abgelöst werden. Nach der Etablierung des neuen ORF-Beitrags tat sich eine Lücke in der Anzahl der prognostizierten zu den tatsächlich beitragspflichtigen Haushalten auf, was den ORF auf Rücklagen in zweistelliger Millionenhöhe zurückgreifen lässt.
Die Akzeptanz und das Vertrauen der Bevölkerung in den ORF seien nach einem Knick während der Coronapandemie wieder im Steigen begriffen. "Unsere Kommunikation mit dem Publikum trägt Früchte", sagte Weißmann und kündigte eine Fortsetzung der Dialogoffensive an, wobei etwa auf das Diskussionsformat "Ein Ort am Wort" gesetzt wird. Es wird ab Oktober auf alle Bundesländer ausgerollt. Um die gesamte österreichische Gesellschaft zu erreichen, seien unter mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) Nachrichtenformate in Sprachen abseits von Deutsch geplant.
Auch wolle man Sportfans, die zuletzt scharenweise zu ServusTV als Hauptrechtehalter der Fußball-EM pilgerten, wieder für sich gewinnen. "Nach der EM ist vor der WM", so Weißmann, der gestand, dass der ORF während der EM "geprügelt" worden sei. Um die künftigen Fußball-Bundesliga-Übertragungsrechte wolle man sich "bemühen". Mit Blick auf die finanziellen Möglichkeiten müsse aber eventuell an Formen der Kooperation gedacht werden. Als "existenziell wichtig" für den ORF bezeichnete Weißmann die Ski-Alpin-Rechte.
Trennen kann sich das öffentlich-rechtliche Medienhaus dagegen von "Im Zentrum". Die sonntägliche Talksendung läuft zu Jahresende aus und wird durch ein neues Format ersetzt. Die Moderation wird gecastet, womit Claudia Reiterer das Aus droht. Mittwochs ist ein zweiter Talk nach der "ZiB 2" (Arbeitstitel: "ZiB Talk") angedacht. Apropos "ZiB": Diese bekommt nach Instagram und Tiktok Anfang September einen Auftritt auf Youtube, um speziell Jüngere und "News-Avoider" zu erreichen.
Nicht erreichbar ist derzeit das Moskau-Korrespondentenbüro für Carola Schneider. Der Büroleiterin wurde Ende Juni von Russland die Akkreditierung entzogen. Sie kann auch weiterhin nicht wieder in das kriegsführende Land einreisen. Jedoch sei ORF-Journalist Christian Lininger ein Visum in Aussicht gestellt worden, sagte Weißmann. Der frühere Moskau-Korrespondent werde anlassbezogen aus Moskau berichten.
"Ständige Weiterentwicklungen" gibt es für die Streamingplattform ORF ON. Bis Jahresende seien 51 Detailprojekte geplant. Acht bis zehn Millionen Euro seien für Vorhaben mit Streamingfokus reserviert, wobei diese aus bisherigen Budgets umgeschichtet worden seien. Bereits auf ORF ON vertreten ist ein eigener Kinderkanal (ORF KIDS). Dieser wird ab Oktober auch als App verfügbar gemacht.
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