APA - Austria Presse Agentur

Pelinka: Steht der "3er", fällt Mattle nicht

Der Politologe Anton Pelinka geht davon aus, dass sich Tirols ÖVP-Obmann und Landtagswahlspitzenkandidat Anton Mattle wird halten können - sollte die Volkspartei bei der Landtagswahl ein Ergebnis mit einem "3er" voran, also zumindest 30 Prozent, einfahren. "Ich gehe davon aus, dass Mattle dann innerparteilich eine faire Chance bekommen wird", sagte Pelinka im APA-Interview. Ein Ergebnis unter 30 Prozent für die ÖVP halte er für "unwahrscheinlich".

Letzteres würde Mattle jedenfalls politisch nicht überleben und somit nicht auf dem Landeshauptmannsessel landen, da es für die Tiroler ÖVP eine "Katastrophe" darstellen würde, erklärte Pelinka, der jahrzehntelang an der Universität Innsbruck tätig war und nicht zuletzt deshalb auch ein intimer Kenner der Tiroler Polit-Landschaft ist. Der "3er" vor dem Ergebnis habe sich mittlerweile in der öffentliche Debatte über das ÖVP-Abschneiden zu einem "starken Symbol" entwickelt, begründete Pelinka seine Einschätzung. Ein Verlust der relativen Mehrheit, also des ersten Platzes, wäre hingegen "keine Katastrophe, sondern eine Katastrophe zum Quadrat", so der Politikexperte. Dass dies eintreten wird, sei für ihn aber "sehr unwahrscheinlich".

"Ich gehe davon aus, dass Mattle genügend Vertrauen in der Partei hat. Die Partei weiß, dass sie Stimmen und Mandate verlieren wird. Eine Ergebnis ab 30 Prozent wird darstellbar sein, damit wird Mattle vorerst durchkommen. Ein solcher Absturz ist nicht als Katastrophe interpretierbar, man wird es vielmehr als dessen Vermeidung hinstellen, als relativen Erfolg. Dann wird er innerparteilich wohl zunächst freie Hand bekommen, eine Regierung zu bilden", zeigte sich der Politikwissenschafter überzeugt, dass der ÖVP-Obmann trotz eines dann beträchtlichen Prozentpunkteverlustes im weit zweistelligen Bereich keine "Nacht der langen Messer" erleben wird. Mattles Vorteil sei zudem: Er werde in der ÖVP als "loyaler Parteisoldat" wahrgenommen, der sich in einer sehr schwierigen Situation zur Verfügung gestellt habe. Hinzu komme: Pelinka sah in einer solchen Konstellation derzeit niemanden, der sich wirklich aufdrängen und Mattle gefährlich werden könnte. Der mitunter gehandelte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser gelte nicht zuletzt aufgrund diverser medialer Aussagen als "nicht unbedingt als parteiloyal."

Spannend wird es laut Pelinka ÖVP-intern für den Fall, dass sich für die Volkspartei nur eine Zweierkoalition mit der FPÖ ausgeht und die Freiheitlichen einen "exorbitanten Stimmenzuwachs" auf Kosten der Schwarzen aufweisen sollten. Dann werde und müsse Mattle - sollte der "3er" stehen - alles versuchen, eine Dreierkoalition zu schmieden: "Denn von seiner Absage an eine Koalition mit den Freiheitlichen kommt er nicht mehr runter." In einem solchen Fall würden aber wohl die vorhandenen Verwerfungen innerhalb der Landespartei "deutlicher werden". Dann könnte ein innerparteilicher Konkurrent "aufstehen" und die blaue Karte zücken. "Das muss aber dann jemand sein, der viel riskiert", so Pelinka. Denn schließlich sei eine FPÖ-Zusammenarbeit derzeit nicht en vogue, widerspreche der bisherigen Linie der Tiroler ÖVP unter Platter und würde auch jene der Bundespartei konterkarieren.

Pelinka rechnete ganz klar damit, dass die ÖVP eine Zweierkoalition präferiert und sah Schwarz-Rot in der Pole Position, sollte sich eine solche Konstellation ausgehen - schließlich dränge auch die SPÖ unter Georg Dornauer vehement in die Regierung als Juniorpartner. Die bisherige Fortsetzung von Schwarz-Grün werde sich sicher nicht mehr spielen, war sich der Politologen-Doyen sicher. Allein arithmetisch. Nicht sehr überzeugt zeigte sich der Experte - in taktischer Hinsicht - von Mattles Absage an die FPÖ. Damit habe sich dieser in eine Art "Selbstfesselung" begeben - und einerseits der FPÖ einen wahltaktischen Vorteil verschafft sowie andererseits die "verhandlungstaktische Position der SPÖ stark aufgewertet.": "Es war eine Art Einladung an die SPÖ." FPÖ-Landesparteichef Markus Abwerzgers Agieren mit dem Ausrufen als "Landeshauptmannkandidat" inklusive "Duell"-Ansage und dem Brief an ÖVP-Wähler und Sympathisanten samt des Versuchs, die "Mitte-rechts-Flanke" für sich zu gewinnen, hielt Pelinka in ersterem Fall für bemerkenswert und in zweiterem für "klug" und folgerichtig. Dass Mattle mit seiner FPÖ-Absage in größerem Stil Wählerstimmen dazu gewinnen kann, glaubte Pelinka nicht. Es handle sich wohl "eher um ein Nullsummenspiel" für die Volkspartei.

Von der prognostizierten Abwanderung an ÖVP-Wählern werden laut Pelinka wohl in erster Linie FPÖ, Liste Fritz und NEOS profitieren - neben dem Nichtwählerlager. Am wenigsten die Grünen, da diese sich ja mit der Platter-ÖVP lange in einer Koalition befanden und es keinen Sinn für enttäuschte Schwarz-Wähler mache, dorthin zu wechseln. Und auch die SPÖ werde wohl nur ganz geringfügig in diesem Wählerteich fischen, sie könne hingegen auf die bisherigen Nichtwähler sowie enttäuschte Grüne hoffen.

Die Sozialdemokraten ortete der Politologe prinzipiell auf Kurs: "Dornauer hat aus seinen exorbitanten Fehlern der Anfangszeit gelernt und fährt nun einen Kurs der 'auffälligen Unauffälligkeit'. Wenig Profil zeigen, auf die Fehler der anderen warten. Wie Pamela Rendi-Wagner. Das könnte zur Position des Landeshauptmannstellvertreters führen." Die Grünen sind für Pelinka schon viel weniger in der Spur: "Sie müssen froh sein, wenn sie nix verlieren." Er bezweifle, dass Spitzenkandidat Gebi Mair über die eigene Wählerklientel hinaus wirke, hinzukomme das Problem, dass Grüne in Regierungsverantwortung traditionell im eigenen Wählerbereich eher verlieren. Für Tirol gelte überdies angesichts des grünen Regierens in Stadt Innsbruck und Land: "Mehr Systempartei geht nicht." Optimistischer ist Pelinka für die in Umfragen sehr gut liegenden Liste Fritz und NEOS, die wie die Grünen beide machttechnisch auf eine Dreiervariante hoffen müssten. Die Liste Fritz habe ein "konsensfähiges Profil" und würde kein Tabu für die anderen Parteien darstellen. Die NEOS müssten hingegen aufpassen, dass sie nicht wie bereits öfters zum "Umfragekaiser" mutieren: "Sie müssen außerdem auf einen Durchbruch im Großraum Innsbruck hoffen, da sie weiter vor allem eine urbane Partei sind."

Die eklatante Schwäche der Tiroler ÖVP sah Pelinka vor allem bundespolitisch begründet, machte aber auch gesellschaftspolitische Gründe im Bundesland aus. "Ich bewundere die Tiroler ÖVP, dass sie den unvermeidlichen Absturz so lange hinausgeschoben hat. Sich über so lange Zeit derartige Mehrheiten zu sichern und das Land als katholisches Bauernland darzustellen, obwohl es sich längst nicht mehr um ein solches handelt, die Agrarquote niedrig ist und die Kirchen auch schon leer werden: Das ist ein Kunststück gewesen." Der Absturz sei ein "längst fälliger". Die Selbstverständlichkeit, große Mehrheiten einzufahren, sei "weg". "Die Wallnöfer-ÖVP ist eigentlich jetzt erst richtig weg", konstatierte Pelinka.