APA - Austria Presse Agentur

Peter Brunners "Luzifer" stieg in Locarno-Wettbewerb ein

Wann schläft Franz Rogowski? Diese Frage stellt sich der Filmfreund derzeit, kommt momentan doch kein bedeutendes Festival ohne zumindest eine Weltpremiere mit dem 35-jährigen deutschen Schauspielstar in einer Hauptrolle aus.

So nun auch Locarno, wo am Mittwochabend Peter Brunners österreichischer Wettbewerbsbeitrag "Luzifer" Weltpremiere feierte – ein rohes, bildgewaltiges und symbolbefrachtetes Leinwandwerk mit Rogowski als geistig einfältigem jungen Mann.

Rogowski ist Johannes, ein Erwachsener mit dem Gemüt eines Kindes, der kaum des Sprechens mächtig ist. Er lebt in einer provisorischen Almhütte hoch oben in den Bergen mit seiner Mutter Maria, gespielt von Susanne Jensen, die als Pastorin in Deutschland nicht zuletzt durch die Thematisierung ihrer eigenen Missbrauchserfahrung bekannt wurde. Auch ihre Maria hat Gewalt erlebt und als trockene Alkoholikerin zu einem spirituellen, absoluten Glaubenssystem gefunden, das sie mit Johannes praktiziert. Ein mächtiger Steinadler ist der einzige Freund des isoliert lebenden Charakters. Wie in Hitchcocks "Psycho" sind es Vögel, welche die lädierte Psyche des Hauptdarstellers spiegeln und extrakorporieren. Das Leben der kleinen, abgeschotteten Gemeinschaft bestimmen Rituale, Kontemplation und die Angst vor dem Teufel.

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In dieses raue und zugleich in sich ruhende Gefüge bricht dann jedoch die Zivilisation ein, da gesichtslose Mächte die Bergspitze zum Skigebiet entwickeln wollen. Während Maria dank ihres früheren Lebens und eines alten Handys eine Vorstellung von den Geschehnissen hat, bleiben die Ereignisse Johannes verschlossen, der den Einbruch der Technik als Invasion einer äußeren Macht wahrnimmt. Es wird eine Kette von eskalierenden Ereignissen in Gang gesetzt, an deren Ende ein dramatischer Exorzismus steht.

Wie schon bei seinem Vorgängerwerk "To the Night" gelingen dem 1983 geborenen Wiener Peter Brunner mit "Luzifer" große, wuchtige, hochassoziative Bilder. Es sind archaische Aufnahmen voller Symbolgehalt, in denen die Sprache eine untergeordnete Rolle spielt. Die schwarze Silhouette der Bergkette erscheint als drohende Amplitude der Eskalation, die Körper und Natur werden in ihrer Gestalt immer wieder als Parallelformen genommen. Auch verzichtet Brunner erneut nicht auf Ekel- und Schockeffekte.

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Bild und Ton sind streckenweise immer wieder entkoppelt, und selbst der kalte Elektrosoundtrack von Tim Hecker hat die zentrale Funktion, Stimmungsbilder zu kreieren und deren Fortbestand zu unterstützen. Dieser Stärke im Visuellen stehen jedoch die Schwächen in der Narration gegenüber. Diese wirkt bei Brunner oftmals noch roh, unbehauen wie eine mit der Motorsäge geschaffene Skulptur. Nach anfänglich vermeintlich konventionellerer Erzählung, biegt auch "Luzifer" alsbald ins kryptisch Essayistische ab. Der Filmemacher kann sich hier nicht der Gefahr widersetzen, der Impression zu viel Raum zu lassen und verliert sich in seinen Stimmungen. Der Teufel steckt bei "Luzifer" eben im Detail. Und doch sind es die großen Bilder, die bleiben.