Pilnacek war aufgrund diverser Vorwürfe im Februar 2021 suspendiert worden. Unter anderem soll er eine Hausdurchsuchung verraten sowie einer Journalistin Amtsgeheimnisse "gesteckt" haben.
Weitere (vom Ministerium später vorgebrachte) Vorwürfe: Pilnacek habe dem damaligen Kabinettschef im Finanzministerium per Chatnachricht ("Das ist ein Putsch"; "Die spielen unfair; nur eine Beschwerde hilft ...") geraten, Rechtsmittel gegen eine von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vollzogene Hausdurchsuchung im Finanzministerium sowie Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständigen Sachbearbeiter zu erheben. Weiters habe er sich erkundigt, wer den damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) auf seine Beschuldigtenvernehmung vorbereitet ("Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?"). Darüber hinaus habe es Pilnacek unterlassen, die Zusendung von ungeschwärzten Aktenbestandteilen aus verschiedenen Verfahren, für deren Bearbeitung er nicht zuständig gewesen sei, zu unterbinden und den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Johann Fuchs, anzuzeigen.
Bereits klar ist, dass das Disziplinarverfahren unabhängig von der heutigen Entscheidung weiterläuft, da in einigen Punkten (wie dem Verrat der Hausdurchsuchung) noch strafrechtliche Ermittlungen gegen Pilnacek laufen. Entschieden werden kann daher nur über jene Punkte, in denen dies nicht der Fall ist bzw. ein Strafverfahren schon abgeschlossen ist.
Der Disziplinaranwalt beantragte einen Schuldspruch - Pilnacek sei in der Causa des Geheimnisverrats an die Journalistin zwar mittlerweile rechtskräftig freigesprochen worden. Allerdings habe das Gericht damals festgestellt, dass der Sektionschef tatsächlich ein Amtsgeheimnis offenbart habe. Ihm habe aber der Vorsatz für eine strafrechtliche Verurteilung gefehlt - für eine Verletzung der Dienstpflichten reiche aber eine fahrlässige Weitergabe. Durch die "pointierte Wortwahl" im Chat mit dem Finanzministeriums-Kabinettschef sei außerdem in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, "dass hochrangige Beamte des Justizministeriums nicht 100 Prozent hinter ihren nachgeordneten Ermittlungsbehörden stehen und zumindest passiv gegen diese Behörden gearbeitet wird." Dies stelle eine Verletzung der Treuepflicht dar.
Dem widersprach Pilnaceks Anwalt Rüdiger Schender: Der Chat sei privat gewesen und nur über den Umweg des U-Ausschusses bekannt geworden. Darin habe Pilnacek lediglich zu Maßnahmen geraten, die in der Strafprozessordnung vorgesehen seien. Dessen Inhalt müsse durch das Recht über freie Meinungsäußerung gedeckt sein. "Wenn ich das nicht mehr machen darf, sind wir am Ende der freien Meinungsäußerung angelangt."
Zur unterlassenen Anzeige gegen Fuchs meinte Schender, dass die Staatsanwaltschaft in dieser Causa das Verfahren gegen den Oberstaatsanwalt eingestellt habe. "Wenn Fuchs keine Straftat begangen hat, kann es keine Anzeigepflicht für Pilnacek geben." Die bei Pilnacek gefundenen Aktenbestandteile könne dieser noch aus seiner Zeit als zuständiger Leiter der Weisungssektion gehabt haben.
Zur Suspendierung führte Schender an, dass Pilnacek mittlerweile seit zwei Jahre dienstfrei gestellt sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe aber schon festgestellt, dass die Frage der Dauer in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen sei. Generell merkte er an, dass das Verfahren gegen den Sektionschef natürlich kein gutes Bild für die Justiz abgebe. "Aber es gehören zwei dazu." Pilnacek habe kein einziges Mal mediale Statements abgegeben. "Ihm ist bewusst, dass die Justiz Ruhe braucht. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, auf viele Eigentümlichkeiten des Verfahren hinzuweisen."