APA - Austria Presse Agentur

Placido Domingo an der Wiener Staatsoper stürmisch gefeiert

Placido Domingo wird derzeit von den Geistern seiner Vergangenheit heimgesucht - in der Wiener Staatsoper am Freitag aber einzig in der Rolle des ruchlosen Macbeth. Für den mit "MeToo"-Vorwürfen konfrontierten Bühnenstar, der zuletzt seinen Rückzug von der New Yorker Met erklärt und erst Anfang Oktober sein Amt als Generaldirektor in LA niedergelegt hatte, ist Wien ein Refugium.

Nach seinem ausverkauften Hausdebüt in der Titelpartie von Verdis Shakespeare-Adaption gab es für Domingo vom Publikum den größten Strauß und den längsten Applaus. Das Ehrenmitglied der Staatsoper sah sich demonstrativer Unterstützung seiner Fans gegenüber.

Anders als die US-Institutionen hatte man in den meisten europäischen Opernhäusern - so auch an der Staatsoper - stets betont, dass die erhobenen Vorwürfe gegen Domingo rechtlich unbewiesen bzw. ungeklärt seien und man deshalb nichts präjudizieren wolle. Im August waren in den USA Belästigungsvorwürfe gegen den Sänger laut geworden. Nach Recherchen der Nachrichtenagentur AP erhoben mehrere Frauen Anschuldigungen gegen Domingo, in denen es um ungewollte Berührungen, Belästigung oder andere unangebrachte Handlungen geht.

Während der Spanier in Amerika bis auf ein Konzert in Dallas im kommenden Jahr deshalb auf absehbare Zeit keine Auftritte haben wird, ist der Domingo-Kalender in Europa prall gefüllt. 2020 reihen sich Engagements von Berlin über Hamburg bis Mailand aneinander. Und auch an die Wiener Staatsoper soll Domingo zurückkehren, ist er hier doch im Juni in der "Nabucco" und der "Traviata" vorgesehen.

Zunächst werden im Haus am Ring nun aber noch zweimal die Schatten der Schuld über Domingo hereinbrechen, in Form von Projektionen, die Macbeth peinigen. In der von Christian Räth 2015 behutsam ins Heute transponierten Regiearbeit, die ebenso nüchtern und kühl wie ihr Sujet ist und dabei überaus theaterpraktische Arrangements der Bühnenelemente erlaubt, ist Domingo weniger der manische Verbrecher als ein getriebener Melancholiker. Sein Macbeth ist nicht der herzlose Tyrann, sondern mit seinem immer noch empathischen Timbre Publikumsliebling.

Selbstredend wären gewisse altersbedingte Wackler und stellenweise Kurzatmigkeit dem Tenor Domingo am Höhepunkt seiner Karriere nicht passiert, dennoch erstaunt der vor einigen Jahren ins Baritonfach gewechselte Künstler immer wieder mit der immer noch vorhanden Geschmeidigkeit seiner Stimme. Dass er Ryan Speedo Green als Banquo bereits im 2. Akt ermorden lässt, war angesichts der Leistung des Ensemblemitglieds bedauerlich. Und auch Tatiana Serjan - wie schon bei der Premiere als Lady die treibende Kraft des Geschehens - schwang sich mit jedem Mord stimmlich besser in ihre Partie ein.