APA - Austria Presse Agentur

Polizei muss laut Pürstl attraktiver Arbeitgeber sein

Die Babyboomer gehen in Pension, dazu kommt eine hohe Fluktuation. "Die Zeit, wo ein Beamter jedenfalls Beamter auf Lebenszeit bleibt, ist ganz allgemein im Staatsdienst vorbei", konstatierte Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl im APA-Gespräch. Seine Schlussfolgerung: "Wir müssen schauen, dass wir als Arbeitgeber attraktiv sind." Pürstl räumte ein, dass "zugleich auch die Neuaufnahmen ins Stocken geraten sind".

Das Problem ist Pürstl zufolge, dass sich bei der Polizei die exakten Abgänge durch Pensionierungen pro Jahr relativ schwer vorhersagen lassen. Das liege an der relativ großen Bandbreite, wann Polizisten in Pension gehen können - nämlich zwischen 60 und 65 Jahren. Ein Beispiel: Heuer wären in der Wiener Exekutive 430 Pensionierungen theoretischmöglich gewesen, tatsächlich vollzogen wurden 180. "Das heißt aber gleichzeitig auch, dass die in den kommenden Jahren in Pension gehen werden." Insgesamt gibt es aktuell rund 7.400 Exekutivbeamtinnen und Exekutivbeamte in Wien.

Pürstl wies auch darauf hin, dass Stellungen als Polizistin oder Polizist nicht immer "Lebensarbeitsplätze" sind. Die Beamten würden auch in andere Bereiche des Staatsdienstes wechseln oder ganz in die Privatwirtschaft. Pensionsprivilegien, etwa dass Beamte mit 80 bis 100 Prozent des letzten Bezuges in die Pension gehen können, "gibt es nicht mehr". Auch Beamte, die jetzt pensioniert werden, seien bereits teilweise im ASVG-System, in naher Zukunft alle. Dazu müsse man mit einer gewissen Fluktuation rechnen, rund 60 Abgänge habe es in diesem Jahr gegeben. Doch auch unter den Polizeischülern habe es 90 Abbrecher gegeben.

So steht die Exekutive auf dem Arbeitsmarkt in scharfer Konkurrenz. "Es gibt zur Zeit sehr viele offene Arbeitsplätze", erläuterte Pürstl. "Sehr viele Arbeitgeber fischen im selben Teich." Dabei sei der Beruf "wahnsinnig attraktiv bei der Aufgabenstellung, abwechslungsreich, auf der anderen Seite aber auch nicht ungefährlich und erfordert hohe Arbeitsmotivation und Arbeitsleistung - insbesondere gibt es nicht den ruhigen Acht-Stunden-Tag, es fallen auch naturgemäß Nachtdienste an, es fallen Überstunden an". Man könne auch besonders bei der Wiener Polizei sehr gut verdienen, andererseits "muss die Arbeit auch gemacht werden". Die Bereitschaft junger Leute, alles für den Dienst zu geben - "nur Work und weniger Life" -, gebe es nicht mehr, diese "Balance verlagert sich immer mehr in Richtung Life, und das spürt auch die Polizei".

"Wir können zur Zeit so viele Mitarbeiter aufnehmen, wie wir wollen" sagte Pürstl. "Wir haben aber deutlich Schwierigkeiten, alle Klassen zu füllen." Im Jahr 2022 seien weniger als die Hälfte in die Grundausbildung aufgenommen worden als jene, "die wir hätten aufnehmen können". Als Arbeitgeber müsse man "Zuckerln anbieten können gegenüber anderen Arbeitgebern". "Wir werden beim Aufnahmeverfahren rascher werden müssen", betonte Pürstl. Auch von der Bewerbung bis zum Testverfahren muss es schneller gehen, es habe sich gezeigt, dass in dem Zeitraum manche zu anderen Arbeitgebern abgesprungen seien.

Der Polizeipräsident verspricht sich auch viel von Werbung für den Polizeiberuf, etwa durch das neue Recruitingcenter in der Leopoldstadt, wo man Interessenten informieren könne, ihnen auch zeigen kann, wie sie sich in einer Uniform oder in der Schutzausrüstung fühlen, oder sie per VR-Brille an einem Einsatz teilnehmen lassen kann. "Wir machen aber Recruiting auch außerhalb des Centers mittels sogenannten Recruiting Days", ergänzte Pürstl. Dazu kommen Touren in Bezirke und auch außerhalb Wiens.

Es gelte in den kommenden beiden Jahren, besondere Recruitingmaßnahmen zu setzen, den Polizeiberuf attraktiv darzustellen und ihn auch attraktiv zu machen. "Wir müssen uns auch als Arbeitgeber überlegen, ob wir aus alten Strukturen, die wir traditionell fahren, ein bisschen moderner werden in den Rahmenbedingungen, das heißt im Überstundenbereich, in den Dienstzeiten, in den starren Dienstsystemen, die wir haben, und damit mehr Flexibilität für die Mitarbeiter schaffen", sagte Pürstl.

Ein Beispiel: Man habe Arbeitspakete in Auftrag geben. "Ich habe meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesagt, sie sollen einmal 'Out of the Box" denken", schilderte der Polizeipräsident. Beispielsweise geht es darum, Systeme zu schaffen, wo man Mehrdienstleistungen mehr in den Freiwilligenbereich rücke, "dass man vermehrt schaut, wer will wann zusätzlichen Dienst leisten, dass man den Mitarbeitern auch Garantien für Tage gibt, wo sie nicht eingesetzt werden". Pürstl erhofft sich davon diskussionswürdige Vorschläge im ersten Halbjahr 2023, sodass dann die Machbarkeit überprüft werden kann und man letztlich die Ideen mit der Personalvertretung diskutieren kann. "All das sind Dinge, die gehen ohne Dienstnehmervertreter gar nicht."

Die vor rund zehn Jahren und davor propagierte Initiative, mehr Menschen mit Migrationshintergrund zur Polizei zu bringen, ist nach Meinung Pürstls nicht "in den Hintergrund getreten, sondern mittlerweile zu einer Selbstverständlichkeit geworden". Genaue Zahlen zu Polizistinnen und Polizisten mit Migrationshintergrund könne er nicht nennen, "weil wir dazu keine Statistiken führen" und ja ausschließlich österreichische Staatsbürger Beamte sein können. "Wir wissen natürlich, wenn wir uns die Namen der Bediensteten anschauen und in die Klassen hineinschauen, dass es doch relativ viele gibt, die Migrationshintergrund haben."

Pürstl wies zurück, dass die Kriterien, um in den Polizeidienst eintreten zu können, herabgesetzt worden seien. "Es gibt ein Auswahlverfahren, mit einer gewissen Bandbreite - nennen wir es jetzt Punkte -, von Punkten, wonach jemand geeignet ist bis eben ganz ausgezeichnet geeignet. Jetzt ist es klar, dass in ganz fetten Jahren, wo es sehr, sehr viele Bewerber gibt und sehr viele in die höheren Bereiche der Leistungen fallen, viele durchrutschen, die den Test eigentlich auch geschafft hätten", erläuterte Pürstl. "Wenn insgesamt die Zahl der Bewerber weniger wird und weniger auch zu den Auswahlverfahren und Tests kommen, dann ist es auch klar, dass einige darunter sind, die eben nicht im Spitzenfeld der Leistungen liegen." Die Bandbreite sei aber nicht verändert worden.

Er sehe auch keine Notwendigkeit, die Bandbreite hinunterzusetzen. "Da gibt es gewisse Schranken, da kann man nicht daruntergehen." Die Bürgerinnen und Bürgerinnen würden sich erwarten, dass "sie auf Menschen treffen, die für den Beruf geeignet sind, die entsprechend kommunizieren und sich ausdrücken können, rechnen, lesen, schreiben in einem Maß beherrschen, wie es einfach für die öffentliche Verwaltung notwendig ist", sagte der Polizeipräsident. "Ein gewisses Maß an Bildung muss vorhanden sein, um im öffentlichen Dienst Fuß fassen zu können, und das ist gerade im Polizeiberuf ganz ganz wichtig."

(Das Gespräch führte Gunther Lichtenhofer/APA.)