Rechtsanwälte zweifeln an geplanter Corona-Novelle

Wolff fordert eine Amnestie für verhängte Strafen
Die geplante Novelle zum Corona-Gesetz sorgt bei vielen Rechtsanwälten für Zweifel: Hinterfragt wird insbesondere, ob dadurch die verfassungskonforme Umsetzung von Betretungsverboten ermöglicht wird.

Die Differenzierung zwischen "bestimmten" und "öffentlichen" Orten dürfte nicht plausibel genug sein, sagte der Präsident der Anwaltskammer, Rupert Wolff, im Gespräch mit der APA.

Das Gesundheitsministerium reagiert mit dem Entwurf zur Änderung des Covid-19-Maßnahmengesetzes darauf, dass der Verfassungsgerichtshof die Verordnung von Minister Rudolf Anschober (Grüne) zu den Ausgangsbeschränkungen zum größten Teil aufgehoben hat. Der Minister soll die Möglichkeit bekommen, zur Corona-Eindämmung das Betreten des öffentlichen Raumes generell zu untersagen. Bisher ist das laut Gesetz nur für bestimmte Orte möglich.

Eine solche Reparatur müsste "sorgsam gemacht werden", betonte Wolff. Am vorgelegten Entwurf sei zu bezweifeln, dass er "für die verfassungskonforme Umsetzung bestimmt genug ist". Außerdem hielte es der ÖRAK-Präsident für zu weitgehend, das Betreten des gesamten öffentlichen Raumes in Österreich zu untersagen. Denkbar seien eine solche Beschränkung nur in Kombination mit der "Ampel" - für Orte, an denen sehr viele Corona-Infektionen aufgetreten sind.

Von einer weiteren in der Novelle enthaltenen Maßnahme wollen die Rechtsanwälte ausgenommen werden: Für das Kontakt-Tracing sollen Betriebe, Veranstalter und Vereine verpflichtet werden, Daten von Gästen, Besuchern, Kunden und Mitarbeitern für 28 Tage aufzubewahren und den Gesundheitsbehörden im Anlassfall zur Verfügung zu stellen. Das würde bei den Anwälten aber mit ihrer Verschwiegenheitspflicht kollidieren. Man könne sie also nicht zur Datenweitergabe verpflichten, heißt es in der Begutachtungsstellungnahme.

Beim Datenschutz wäre immer "größte Sorgsamkeit" angebracht, mahnte Wolff - und forderte deshalb, dass im Gesetzestext direkt und nicht nur in den Erläuterungen klargestellt wird, dass einem Kunden oder Besucher der Eintritt oder eine Dienstleistung nicht verweigert werden darf, wenn er der Verarbeitung seiner Daten nicht zustimmt.

Ein weiteres sensibles Thema sehen die Rechtsanwälte mit der (im Epidemiegesetz) geplanten Bestimmung zu Präventionskonzepten für Veranstaltungen und Versammlungen berührt. Die Behörden sollen deren Einhaltung "auch durch Überprüfung vor Ort" kontrollieren können. Private Vereine dürfe das aber keinesfalls betreffen, merkte Wolff an. Denn das wäre ein massiver - und derzeit sachlich nicht gerechtfertigter - Eingriff in das Vereins- und Versammlungsrecht.

Generell sei bei den Corona-Maßnahmen die Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte ganz gut gelungen. "Hie und da ist man aber über das Ziel hinaus geschossen" - etwa bei den Aufenthaltsverboten. Nach dem VfGH-Spruch sei jetzt eine generelle Rückzahlung aller auf Basis der aufgehobenen Bestimmungen verhängten Strafen geboten, befindet Wolff.

Der Staat schulde es seinen Bürgern, sie vor nicht rechtmäßiger Strafverfolgung zu schützen. Dieses Ziel würde es auch rechtfertigen, dass vielleicht auch einige Geldbußen zurückgezahlt werden, die zu Recht verhängt wurden. Denn es müssten "der breiten Masse nicht gerechtfertigte Strafen zurückgezahlt werden". Und eine Überprüfung jedes Einzelfalles wäre ein zu großer Aufwand, stellte der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages fest.

Kommentare