APA - Austria Presse Agentur

Rumäniens Sozialdemokraten attackieren Timmermans

Der sozialdemokratische Spitzenkandidat bei der Europawahl, Frans Timmermans, kann die Unterstützung seiner rumänischen Parteifreunde wohl abschreiben. Die Nominierung von Timmermans zum EU-Spitzenkandidaten sei ein "Kapitalfehler" gewesen, betonte der rumänische Senator Serban Nicolae am Dienstag. Grund für den Groll ist der EU-Mahnbrief an Bukarest, der die Unterschrift von Timmermans trägt.

Timmermans liefert sich derzeit ein Rennen mit dem konservativen Spitzenkandidaten Manfred Weber um den Posten des künftigen EU-Kommissionspräsidenten. Im Jahr 2014 hatten die beiden großen Parteienfamilien vereinbart, dass die Siegerin der Europawahl den Brüsseler Behördenchef stellt. Webers Europäische Volkspartei (EVP) liegt in den Umfragen vorne, doch ist der Vorsprung wegen der britischen Wahlteilnahme und des Verlusts der Unterstützung der rechtskonservativen ungarischen Regierungspartei Fidesz geschrumpft.

Der niederländische Sozialdemokrat ist Vizepräsident der EU-Kommission und als solcher für die Rechtsstaatlichkeit zuständig. Nachdem wegen Rechtsstaatsverletzungen schon Verfahren gegen Polen und Ungarn laufen, gerät nun auch Rumänien stärker ins Visier Brüssels. Grund sind umstrittene Gesetzesänderungen, mit denen sich korruptionsverdächtige Regierungspolitiker, darunter Sozialdemokraten-Chef Liviu Dragnea, aus den Fängen der Justiz lösen wollen.

Dragnea sagte am Montagabend in einer Talkshow, Timmermans und die restliche Kommissionsspitze habe Bukarest nur deshalb ein EU-Rechtsstaatsverfahren angedroht, um Staatschef Klaus Johannis (Iohannis) angesichts des im Spätherbst anstehenden Präsidentschaftswahlkampfs "Vorteile" zu verschaffen. Johannis habe die Kommissionsspitzen vergangene Woche während des informellen EU-Gipfels in Sibiu (Hermannstadt) aufgehetzt. De facto würde keine von der PSD vorgenommene Strafrechtsänderung gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen und einen derartigen Mahnbrief vonnöten machen.

Timmermans' Mahnbrief und das angedrohte Rechtsstaatsverfahren seien "Stuss", der "Null Konsequenzen" haben werde, sagte Nicolae. Der Senator verriss die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) für ihren "Kapitalfehler", Timmermans als ihren Spitzenkandidaten aufgestellt zu haben. Auch der PSD-Abgeordnete Catalin Radulescu warf der EU-Kommission vor, dieses "Dramolett nur aus wahltaktischen Gründen" inszeniert zu haben. Als "souveräner Staat" sei Rumänien vollauf berechtigt, sein nationales Recht, einschließlich das Strafrecht, "selbst zu bestimmen - wie Polen, Ungarn, Italien u.a. auch". Dass die PSD sich dazu durchringen würde, ihre umstrittenen Strafrechtsänderungen angesichts der Brüsseler Kritik zurückzunehmen, schloss Radulescu aus. Seine Partei sei "kein Kasperl".

Am Montag war bekannt geworden, dass Timmermans die rumänischen Behörden in einem mit dem 10. Mai datierten Schreiben ein letztes Mal zur umstrittenen Strafrechtsnovelle der sozial-liberalen Koalition verwarnt hatte. Sollten die Ende April vom Parlament in Bukarest verabschiedeten Änderungen des Strafrechts und der Strafprozessordnung "in Kraft treten oder weitere Schritte in die falsche Richtung getan" werden, werde die Kommission umgehend ein EU-Rechtsstaatsverfahren gegen Rumänien einleiten, hieß es in dem an Staatspräsident Iohannis, Regierungschefin Viorica Dancila (PSD) und die beiden Parlamentspräsidenten Calin Popescu Tariceanu (ALDE) und Liviu Dragnea (PSD) gerichteten Brief. Der 2014 eingeführte Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips gilt als letzte Stufe vor der Einleitung eines Strafverfahrens nach Artikel 7 der Europäischen Verträge gegen einen Mitgliedstaat, das bis zum Entzug der Stimmrechte auf EU-Ebene führen kann.