Russische Atomdoktrin wird derzeit angepasst

Kein Ende der Kämpfe absehbar
Die russische Regierung treibt nach eigenen Angaben die bereits angekündigte Überarbeitung ihrer Atomwaffendoktrin voran.

Vize-Außenminister Sergej Rjabkow sagte der staatlichen Nachrichtenagentur TASS zufolge, die Arbeit befinde sich in einem fortgeschrittenen Stadium. Es gebe die eindeutige Absicht, Korrekturen vorzunehmen. Die Entscheidung dafür stehe "in Verbindung mit dem Eskalationskurs unserer westlichen Gegner" im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte in einem Interview, der Westen "gehe zu weit" und Russland werde alles tun, um seine Interessen durchzusetzen. Die USA und ihre Verbündeten betonten, dass es sich in der Ukraine um einen Angriffskrieg Russlands handle und dass die Regierung in Kiew bei dessen Abwehr unterstützt werde. Bisher sieht die russische Atomwaffendoktrin den Einsatz von Atomwaffen vor, falls Russlands Souveränität oder seine territoriale Integrität bedroht werden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erneure nach den jüngsten Luftangriffen Russlands seine Forderung, Waffen aus dem Westen für Angriffe tiefer im russischen Staatsgebiet einsetzen zu dürfen. Um ukrainische Städte vollständig zu verteidigen und zu schützen, sei mehr Unterstützung erforderlich, erklärte er auf Telegram. Dabei gehe es um "eine Entscheidung über Langstreckenangriffe auf russische Raketenabschussbasen, die Zerstörung der russischen Militärlogistik und den gemeinsamen Abschuss von Raketen und Drohnen".

Selenskyj betonte, allein in der vergangenen Woche habe Russland 160 Raketen, 780 Lenk- oder Fliegerbomben sowie 400 Kampfdrohnen gegen die Ukraine eingesetzt. Die Regierung in Kiew fordert seit längerem von den Alliierten die Erlaubnis, mit westlichen Waffen russische Ziele auch deutlich hinter der Front angreifen zu dürfen. Die Verbündeten der Ukraine zeigen sich angesichts der potenziellen Reaktion Russlands zurückhaltend.

Nach eigenen Angaben rückten russische Truppen im ostukrainischen Gebiet Donezk weiter vor. Das Verteidigungsministerium in Moskau meldete die Eroberung des Ortes Wyjimka im Norden des Donbass nahe der ukrainisch kontrollierten Stadt Siwersk. Der ukrainische Generalstab berichtete zwar von neun russischen Sturmangriffen seit Samstag an diesem Frontabschnitt, darunter auch auf Wyjimka. Sie seien aber abgewehrt worden, hieß es. Beide Darstellungen waren bisher nicht unabhängig überprüfbar. Auch bei der derzeitigen Hauptangriffsrichtung auf die ukrainische Stadt Pokrowsk nahm das russische Militär Geländegewinne für sich in Anspruch.

Der ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj gestand ein, dass die Lage seiner Truppen im Donbass schwierig sei. Der Feind sei an Menschen und Material überlegen, schrieb er in einem Post auf sozialen Netzwerken. "Aber alle notwendigen Entscheidungen auf allen Ebenen werden ohne Verzögerung getroffen", erklärte Syrskyj - vermutlich ein Hinweis darauf, dass in der Ukraine die angeblich unzureichend vorbereitete Verteidigung und das Zurückweichen auch kritisiert wird. "Trotz der Tatsache, dass der Feind bei der Zahl der Waffen und der Menschen im Vorteil ist, erleidet er dank unserer Soldaten erhebliche Verluste. Der Kampf um die Ukraine geht weiter", schrieb Syrskyj.

Auch die Großstadt Charkiw im Nordosten des Landes geriet erneut ins Visier der russischen Luftwaffe. Bei einem Raketenangriff seien 28 Menschen verletzt worden, teilte Bürgermeister Ihor Terechow mit. Laut dem Gouverneur der Oblast Charkiw, Oleh Sinehubow, ist unter den Verletzten ein sechsjähriges Kind. Charkiw ist die zweitgrößte Stadt der Ukraine. In den vergangenen Tagen gab es bei Angriffen dort mehrere Tote und zahlreiche Verletzte.

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