APA - Austria Presse Agentur

Russische Regierung strebt Kontrolle über Bildungsaktivitäten an

Ein Rahmengesetz zur Bildung in Russland sieht die strenge Reglementierung auch nicht-staatlicher Bildungsaktivitäten vor.

Nach dem kürzlich erfolgten Beschluss eines umstrittenen Rahmengesetzes zur Bildung hat die russische Regierung am Freitag den Entwurf eines dazugehörigen Erlasses veröffentlicht: Vorgesehen sind Verbote und eine strenge Reglementierung auch nicht-staatlicher Bildungsaktivitäten, die gerade kleine Institutionen massiv belasten würde. KritikerInnen befürchten deutliche Einschnitte im Bildungsangebot.

Russische WissenschafterInnen hatten Anfang des Jahres vergeblich gegen ein neues Rahmengesetz protestiert, das erstmals eine staatliche Regulierung für "Bildungsaktivitäten" jenseits des klassischen Schul- und Universitätsunterrichts vorsieht. Die russische Staatsduma beschloss das Gesetz jedoch im März, und mit der Unterschrift von Präsident Wladimir Putin tritt es am 1. Juni 2021 in Kraft.

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Nachdem die russische Regierung am Freitag nun ihren Entwurf jenes Erlasses präsentierte, der zur Anwendung des Rahmengesetzes erforderlich ist, scheinen sich viele Befürchtungen zu bewahrheiten: Als "Bildungsaktivität" soll in Zukunft fast jede Verbreitung von Wissen in beliebigen Formaten reglementiert werden, darunter auch Diskussionen am Runden Tisch oder selbst Internetvideos.

Bildungsaktivitäten für "ausländische Agenten" verboten

Laut dem Entwurf, der wahrscheinlich in dieser Form auch in Kraft treten dürfte, muss etwa jeder Vortragende über zwei Jahre Berufserfahrung verfügen und einen Vertrag mit einer Institution abschließen, die ihrerseits Informationen über alle Vortragenden veröffentlichen muss. Einer wachsenden Zahl an Institutionen, die wegen Subventionen aus dem Ausland vom russischen Justizministerium zu "ausländischen AgentInnen" erklärt worden sind, sollen Bildungsaktivitäten indes völlig verboten werden.

Die Zukunft von Memorial (seit 2016 als "ausländischer Agent" gelistete Menschenrechtsorganisation in Moskau, Anm.) sei damit massiv bedroht, kommentierte die Memorial-Abteilungsleiterin Irina Schtscherbakowa am Sonntag dem Onlinemedium MBCh Media. Sie erachte diese neue Initiative als ein völliges Verbot der Aktivitäten von "Auslandsagenten", sagte die Historikerin.

Bereits zuvor hatte der Astrophysiker Sergej Popow im russischen Fernsehsender "Doschd" über einen drohenden bürokratischen Mehraufwand geklagt, der gerade punktuelle Veranstaltungen dezimieren würde. Um überhaupt auftreten zu dürfen, müssten Vortragende laut den Vorgaben des Entwurfs etwa Gesundheitszeugnisse, Strafregisterbescheinigungen und schriftliche Angaben über ihre Berufserfahrung vorlegen, kritisierte er.

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Wenig Zweifel besteht darin, dass die neuen Vorgaben den Druck gerade auf kleinere und unabhängige Privatinstitutionen verstärken dürften. Gleichzeitig forciert der russische Staat staatliche Großinstitutionen: Vergangene Woche kündigte Präsident Putin in seiner Rede an die Föderale Versammlung einen Relaunch der Gesellschaft "Snanije" ("Wissen") an.

Diese in der Stalin-Zeit gegründete und von der kommunistischen Partei kontrollierte Institution hatte mit ihren Vortragsreihen, die nunmehr als "Bildungsaktivitäten" bezeichnet würden, bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion landesweit eine wichtige Rolle gespielt.