APA - Austria Presse Agentur

Schallenberg trifft Blinken am Dienstag in Washington

Nach zweieinhalb Jahren Pause ist es soweit: Die bilaterale Reisediplomatie zwischen Österreich und den USA wird wiederbelebt. Außenminister Alexander Schallenberg reist am Montag nach Washington, wo er am Dienstag seinen US-Amtskollegen Antony Blinken treffen wird. Der Trip findet "vor dem Hintergrund multipler Krisen statt", so das Außenamt. Schallenberg wurde mit den Worten zitiert: "Umso wichtiger ist es, mit unseren Partnern in der freien Welt eng zusammenzustehen."

Blinken ist seit Jänner 2021 US-amerikanischer Außenminister. Der 60-Jährige hätte sich unmittelbar vor Schallenbergs Besuch selbst zu einer heiklen Mission in China aufhalten sollen. Es war erwartet worden, dass der US-Außenminister in Peking die chinesischen Machthaber zu Wochenbeginn davor warnen werde, sich im Ukraine-Konflikt auf die Seite Russlands zu schlagen. In diesem Fall dürfte wohl auch die aufstrebende Wirtschaftsmacht mit Sanktionen belegt werden. China trägt die westlichen Sanktionen gegen Moskau nicht mit, vermeidet aber zugleich jegliche Unterstützung des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges des Kreml. Sollte Peking seine Haltung ändern, könnte dies die Gewichte im Krieg zwischen Russland und der Ukraine verschieben.

Dann hatte aber ein mysteriöser Ballon im amerikanischen Luftraum für neue schwere Spannungen zwischen den USA und China gesorgt: Die US-Regierung warf Peking Spionage vor und sagte die Visite am Freitag praktisch in letzter Minute ab. China gab nach einigem Zögern zu, dass es sich um ein chinesisches Flugobjekt handelt. Der Ballon diene lediglich wissenschaftlichen Zwecken und sei von seiner Flugbahn abgekommen, bis in den Nordwesten der USA. Die US-Regierung blieb dagegen bei ihrer Einschätzung, dass es sich bei dem ominösen Fluggerät, dass am Samstag von der Luftwaffe mithilfe von Kampfjets über dem Meer zum Absturz gebracht wurde, um einen chinesischen Überwachungsballon handle. Sie wertete die Aktion als Verstoß gegen die Souveränität der USA und internationales Recht.

Die erhöhten Spannungen zwischen den USA und China erfolgen vor dem Hintergrund der wachsenden Drohgebärden Pekings gegenüber Taiwan, zu dessen Schutz sich Washington verpflichtet fühlt. Ein Vier-Sterne-General der US-Luftwaffe prognostizierte sogar einen Krieg mit China für das Jahr 2025, was vom Pentagon offiziell jedoch nicht so gesehen wird. Allerdings sind die Machtansprüche Chinas etwa im von ihm beanspruchten "südchinesischen Meer" sowohl den Anrainerstaaten als auch den USA ein Dorn im Auge. Beobachter schätzen die Situation jedenfalls für ziemlich kritisch ein, zumal chinesische und amerikanische Flottenverbände bzw. Kampfflugzeuge in der Region unterwegs sind.

Näher an Österreich ist der zweite Spannungsherd, mit dem die USA konfrontiert sind. Derzeit trete Russland im Zuge seines Angriffskriegs gegen die Ukraine "die internationale Ordnung und das Völkerrecht mit Füßen", verlautete im Vorfeld der Reise aus dem Büro des ÖVP-Außenministers. Europa und die USA seien aber durch ein starkes transatlantisches Wertefundament verbunden. Schallenberg schlussfolgerte daher: "Je rauer das geopolitische Umfeld, desto wichtiger der transatlantische Zusammenhalt. Mein Besuch dient genau dazu: Er macht den Transatlantik wieder ein Stück kleiner, in politischer, wirtschaftlicher und menschlicher Hinsicht Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte bilden den unverrückbaren Kern unserer Strategischen Partnerschaft." Es gelte, das enge Verhältnis zu den USA weiter zu festigen, "sowohl politisch als auch wirtschaftlich." Schließlich sei das transatlantische Bündnis "einer der Grundpfeiler der österreichischen Außenpolitik."

Bei dem Treffen mit US-Außenminister Antony "Tony" Blinken solle es aus aktuellem Anlass vor allem um die fortgesetzte Unterstützung der Ukraine und volle Solidarität mit dem von Russland attackierten Land gehen, hieß es aus dem Außenministerium. Österreich habe die Ukraine bisher mit rund 124 Millionen Euro unterstützt, um die humanitären Folgen zu lindern. Besprochen werden sollen auch die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die europäische und internationale Sicherheitsarchitektur sowie die gemeinsamen Anstrengungen Österreichs und der USA für die Sicherheit und Stabilität der Länder des Westbalkan.

Gemeinsame Herausforderungen wie die Negativspirale im Iran und die Entwicklungen im Nahen Osten und Nordafrika werden auch im Fokus der Gespräche von Außenminister Schallenberg im Nationalen Sicherheitsrat stehen, hieß es im Vorfeld aus dem Außenamt. Im Rahmen der Initiative "ReFocus Austria" wird Schallenberg auch mit Vertreterinnen und Vertretern einiger der größten österreichischen Unternehmen am US-Markt über Chancen und Herausforderungen für die österreichische Exportwirtschaft sprechen. Außerdem ist an der renommierten Johns Hopkins Universität eine Diskussion mit jungen Studierenden geplant. Im Mittelpunkt sollen die geopolitischen Konsequenzen des russischen Angriffs gegen die Ukraine und die geeinte europäisch-amerikanische Antwort darauf stehen.

Es ist dies das dritte bilaterale Treffen von Außenminister Schallenberg mit einem US-Amtskollegen. Im Februar 2020 war Schallenberg beim damaligen republikanischen Secretary of State, Mike Pompeo, in Washington, im August 2020 folgte dann der Gegenbesuch von Pompeo in Wien, wo er auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, den damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und weitere Regierungsmitglieder traf.

Damals saß noch der Republikaner Donald Trump als Präsident im Weißen Haus. Insbesondere unter der Ägide von Kurz als Außenminister und Bundeskanzler hatte sich der politisch-diplomatische Austausch unter den Regierungsspitzen von Österreich und den USA intensiviert. So war Kurz im Februar 2019 als erster österreichischer Regierungschef seit mehr als 13 Jahren im Weißen Haus zu Gast gewesen. Zuvor hatte Ende 2005 der damalige US-Präsident George W. Bush Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) im Vorfeld der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft empfangen.

Die "New York Times" konstatierte im Februar 2019 eine "Seelenverwandtschaft" zwischen Trump und Kurz. Kritiker meinten damals auch, die Bundesregierung nähere sich bei manchen brisanten außenpolitischen Themen wie Nahost, Iran oder Venezuela zu sehr an die außenpolitischen Linien der Administration von Trump an und rücke dabei sogar stark von EU-Linien ab. Ein für März 2020 geplantes weiteres Meeting zwischen Trump und Kurz im Weißen Haus fiel letztlich dem Coronavirus zum Opfer.