Scholz befürchtet langen Konflikt mit Russland

Scholz hielt Regierungserklärung im Bundestag
Deutschland und der Westen müssen sich nach den Worten des deutschen Kanzlers Olaf Scholz auf einen langen Konflikt mit Russland und einen langwierigen Wiederaufbau der Ukraine einstellen. Man müsse darüber reden, wie ein "Marshall-Plan für die Ukraine" aussehe, sagte Scholz am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag zu den bevorstehenden EU-, G7- und NATO-Gipfeln. Man müsse klären, wie man die Ukraine am schnellsten auf ihrem europäischen Weg voranbringe.

Seit Kriegsbeginn habe die Europäische Union bereits Mittel in Milliardenhöhe mobilisiert, Deutschland sei vorne mit dabei. "Aber wir werden viele weitere Milliarden Euro und Dollar für den Wiederaufbau brauchen - und das über Jahre hinweg. Das geht nur mit vereinten Kräften." Um die Hilfe zu organisieren will Scholz im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft eine internationale Expertenkonferenz einberufen. Man müsse sich darüber verständigen, welche Investitionen die Ukraine am schnellsten voranbringen auf ihrem europäischen Weg, sagte der SPD-Politiker.

Scholz warb zugleich um breite Zustimmung dafür, die Ukraine offiziell zum Kandidaten für einen EU-Beitritt zu erklären. Er werde sich mit allem Nachdruck dafür einsetzen, dass die gesamte EU geschlossen "Ja" dazu sage, erklärte er mit Blick auf die 27 Mitgliedsstaaten. Auch die Ukrainerinnen und Ukrainer wüssten, dass der Weg in die EU voraussetzungsreich sei. Aber sie wollten ihn jetzt gehen, da sie sich davon weniger Korruption und Einfluss von Oligarchen sowie mehr Rechtsstaatlichkeit, Transparenz, Demokratie und eine stärkere Wirtschaft versprächen.

Der Kanzler hob hervor, dass er die deutsche Zustimmung zum Kandidatenstatus für die Ukraine und deren Nachbarrepublik Moldau bei seinem Besuch in der Hauptstadt Kiew deutlich gemacht hatte - unisono mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi und Rumäniens Präsident Klaus Iohannis. Scholz verwies darauf, dass die EU-Kommission Reformschritte benannt habe. Zugleich müsse sich auch die EU "aufnahmefähig" machen und Strukturen und Verfahren reformieren. Er werbe dafür, künftig mehr Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit zu treffen, etwa in der Außenpolitik.

Scholz bekräftigte zudem, dass auch die Länder des Westlichen Balkans nach langen Jahren klare Perspektiven verlangten. "Die EU muss endlich grünes Licht geben für die Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien." Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beraten am Donnerstag und Freitag in Brüssel.

Scholz bekräftigte zugleich eine harte Haltung gegenüber Russland. "Umso entscheidender ist es, dass wir standhaft Kurs halten: mit unseren Sanktionen, mit den international abgestimmten Waffenlieferungen, mit unserer finanziellen Unterstützung für die Ukraine", mahnte er. "Solange bis Putin seine kolossale Fehleinschätzung endlich erkennt." Die Ukraine werde die Waffen bekommen, die es bei der Verteidigung gegen Russland brauche.

Man müsse aber gleichzeitig ärmeren Länder helfen, den Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise zu bewältigen. Ansonsten würden China und Russland dies ausnutzen. Die Demokratien der Welt müssten nicht nur gegen Russlands Imperialismus, sondern auch im Kampf gegen Hunger und Armut zusammenstehen.

In diesem Zusammenhang drängte Scholz auf Lösungen für blockierte Getreideausfuhren aus der Ukraine. "Es kann nicht dabei bleiben, dass Millionen Tonnen in ukrainischen Speichern feststecken, obwohl sie weltweit dringend gebraucht werden."

Vor dem Hintergrund des Streits zwischen Russland und Litauen wegen der Ostsee-Exklave Kaliningrad sicherte Scholz den östlichen NATO-Partnern die volle Bündnissolidarität Deutschlands zu. "Wir werden jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets verteidigen", sagte der Kanzler in Anlehnung an seine Bundestagsrede unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar.

Aus ihrer eigenen Geschichte wüssten die Deutschen, was sie dieser Zusage zu verdanken hätten, sagte Scholz. "Und deshalb können unsere NATO-Partner im Osten Europas sich heute auf Deutschland verlassen. Mit dieser Zusage gehen wir in den NATO-Gipfel kommende Woche." Weil sich auch andere Verbündete mit ganz konkreten Beiträgen zur gemeinsamen Sicherheitsverantwortung bekennen würden, sei er fest überzeugt: "Vom NATO-Gipfel wird ein Signal des Zusammenhalts und der Entschlossenheit ausgehen."

Deutschland belasse es nicht bei Worten, betonte Scholz. Unmittelbar nach Kriegsbeginn habe man zusätzliche Soldatinnen und Soldaten und militärische Fähigkeiten wie Luftabwehr ins östliche Bündnisgebiet verlegt. Mit Litauen sei vereinbart, die deutsche Präsenz dort dauerhaft zu verstärken und dem Land eine robuste Bundeswehrbrigade fest zuzuordnen. Deutschland werde zudem seine Präsenz mit Luft- und Marinestreitkräften im Ostseeraum ausweiten und sei dabei, Soldatinnen und Soldaten zur Sicherung des Luftraums in die Slowakei zu entsenden.

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