APA - Austria Presse Agentur

Sechs Jahre Haft für Vergewaltigung einer Wehrlosen

Ein 52-jähriger Kärntner ist am Mittwoch am Landesgericht Klagenfurt wegen sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person und Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Er wurde schuldig gesprochen, sich im September des Vorjahres an einer behinderten 33-Jährigen vergangen zu haben. Der Mann hatte sich nicht schuldig bekannt, das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Mutmaßlicher Täter und Opfer kennen sich seit der frühen Kindheit der Frau, sie waren Nachbarn im Lavanttal. Die Frau erkrankte 2003 an Multipler Sklerose (MS), sitzt seit 2016 im Rollstuhl und hat auch mit ihren Händen Probleme. Durch diese Erkrankung sei sie in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt gewesen und habe sich nicht wehren können, sagte Staatsanwältin Nicole Sembach.

Das Opfer zeigte den Mann erst zwei Monate später an, als sie gynäkologische Probleme und sich ihre Krankheit verschlechtert hatte. Da vertraute sich die Frau auch einer Freundin an.

Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig. Der Geschlechtsverkehr habe stattgefunden, aber er sei einvernehmlich gewesen, erklärte er in der Einvernahme durch die Vorsitzende des Schöffensenats, Richterin Sabine Roßmann. Er habe die Frau in ihrer Wohnung in Bad St. Leonhard immer wieder besucht, bevor es zu dem sexuellen Kontakt gekommen sei.

Stimmt nicht, sagte die 33-Jährige. Sie kenne den Angeklagten zwar schon lange, habe aber mit ihm zwei Jahre vor dem Vorfall keinerlei Kontakt gehabt. Sie habe ihn etwa eine Woche vor der Tat angerufen und gefragt, ob er sie zu einer Untersuchung im Oktober in das Krankenhaus, in dem der Mann arbeitete, mitnehmen könne. Das habe er zuvor schon öfter gemacht.

Am 30. September 2018 habe er sie überraschend besucht. Sie habe sich über den Besuch gefreut und ihm von der Entwicklung ihrer Krankheit erzählt. Plötzlich sei es zu dem Übergriff gekommen. Der Angeklagte stritt alles ab und bezeichnete die Schilderungen der Frau als "Lüge". Die Frau habe ihn umarmt und sie hätten sich geküsst, sie habe sich nicht gewehrt, erklärte er.

Laut Gerichtsgutachter ist die Frau als wehrlose Person zu sehen. Sie habe aufgrund der MS eine Art Querschnittlähmung in den Beinen und leide auch unter einer Beeinträchtigung der oberen Extremitäten durch einen Aktionstremor. Das ist ein Zittern, wenn man nach etwas greift. Dieser Tremor verstärke sich bei Stress, so Gutachter Franz Schautzer. Eine psychische Belastung könne zu einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen. Und das sei bei der Frau nach dem Vorfall festgestellt worden, müsse aber nicht zwangsläufig mit diesem Vorfall zusammenhängen. Darüber hinaus hat der Arzt eine posttraumatische Belastungsstörung bei dem Opfer diagnostiziert.

Der Angeklagte sei im Beweisverfahren in wesentlichen Punkten seiner Aussagen auch durch den Sachverständigen widerlegt worden, sagte die Staatsanwältin in ihrem Abschlussplädoyer. Für sie sei auch nachvollziehbar, warum die Frau nicht gleich Anzeige erstattet habe, unter anderem wegen der jahrzehntelangen Bekanntschaft der Familien und der Angst vor dem Stress eines Verfahrens und damit der Verschlechterung ihrer Krankheit.

Der Verteidiger verwies darauf, dass die Frau nicht geschrien und sich nicht entsprechend gewehrt habe. Sie habe sich dem Angeklagten gegenüber nicht genau artikuliert, der auch einer Stresssituation ausgesetzt und - in Anbetracht seiner geistigen Fähigkeiten - mit der Situation überfordert gewesen sei, sagte der Anwalt und beantragte einen Freispruch.

Das Gericht glaubte der Frau. Die widersprüchlichen Aussagen und teilweise fehlenden Erklärungen des Angeklagten stünden den gleichbleibenden, genauen Schilderungen der Frau gegenüber. Sein Verhalten, wie es die Frau beschrieben habe, zeige ein nicht Wahrhabenwollen, das bis heute anhalte, sagte die Richterin. "Doch diese Form der Verleugnung schützt Sie vor Strafe nicht. Sie sind eine einfach strukturierte Persönlichkeit, aber auch Sie können durchaus hören und verstehen, wenn jemand Nein sagt", so Roßmann. Der Strafrahmen liege zwischen fünf und 15 Jahren. Mit sechs Jahren liege man am unteren Rand.

Der Verteidiger erbat drei Tage Bedenkzeit. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab.