APA - Austria Presse Agentur

Selenskyj befürchtet "tausende" Opfer in Mariupol

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, den humanitären Zugang zu Mariupol zu blockieren, um "tausende" Opfer zu verschleiern.

"Ich denke, dass sie Angst haben, dass die Welt sieht, was dort vor sich geht, solange nicht alles von russischen Soldaten 'gesäubert' wurde", sagte Selenskyj am Mittwoch in einem Interview mit dem türkischen Fernsehsender Habertürk, das sein Büro online veröffentlichte.

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Mariupol im Südosten der Ukraine ist seit Wochen von jeglicher Versorgung abgeschnitten und wird von den russischen Streitkräften heftig beschossen. Die Lage in der Stadt ist katastrophal. Bisherige koordinierte Versuche, die Stadt zu evakuieren, sind gescheitert. Manchen Einwohnern gelang die Flucht aber auf eigene Faust.

Er gehe von "tausenden getöteten Menschen" in Mariupol aus, sagte Selenskyj. Die russischen Streitkräfte könnten die Zahl der Opfer jedoch nicht auf Dauer verheimlichen. "Eine solche Zahl kann man nicht verbergen."

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Ljudmyla Denissowa, die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, berichtete unter Berufung auf Zeugenaussagen, dass die russischen Truppen über "mobile Verbrennungsöfen" und "Zerkleinerungsgeräte" verfügten, um die Leichen zu beseitigen. Sie veröffentlichte bei Telegram ein Foto, das eine solche Verbrennungsanlage auf einem Sattelschlepper zeigen soll. Von unabhängiger Seite ließ sich die Authentizität des Bildes nicht bestätigen.

Russland setzte seine Angriffe auf Mariupol nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums auch am Mittwoch fort. Mariupols Bürgermeister Wadym Boitschenko sagte in dieser Woche, rund 90 Prozent der Stadt seien seit Beginn der russischen Angriffe komplett zerstört worden.

Der Stadtrat von Mariupol korrigierte am Mittwoch bisherige Schätzungen zur Zahl der Toten in der Stadt. Bisher war von mindestens 5.000 Toten die Rede gewesen. Angesichts der Größe der Stadt und der Dauer der Blockade könnte es jedoch "zehntausende Opfer unter der Zivilbevölkerung gegeben haben", erklärte der Stadtrat bei Telegram.

Rund 500 Ukrainern aus dem Südosten gelang am Mittwoch mit einem Konvoi unter dem Schutz des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) die Flucht nach Saporischschja. Die Helfer des IKRK hatten zuvor nach eigenen Angaben fünf Tage lang erfolglos versucht, Mariupol zu erreichen.

Dennoch stammten die meisten Flüchtlinge laut IKRK aus Mariupol. Sie seien aus der von Russland kontrollierten, nahe gelegenen Stadt Berdjansk aus in Sicherheit gebracht worden. Schätzungsweise 120.000 Menschen sitzen den Angaben zufolge noch in Mariupol fest.

Im Osten des Landes ist nach ukrainischen Angaben auch die Kleinstadt Losowa im Gebiet Charkiw von russischen Truppen mit Raketen beschossen worden. Das teilte der Bürgermeister von Losowa, Serhij Selenskyj, in einem auf Telegram veröffentlichten Video am Mittwochabend mit. Es habe keine Toten oder Verletzten gegeben, sagte Selenskyj weiter. Genauere Angaben zu den Zielen des Beschusses gab es nicht.

Der Bürgermeister hatte vor drei Tagen die Einwohner der 55.000-Einwohner-Stadt dazu aufgerufen, diese zu verlassen. Lokalen Medienberichten zufolge sind binnen zwei Tagen rund 10.000 Menschen aus der Stadt evakuiert worden. Sie ist vor allem wegen ihres Eisenbahnknotens von Bedeutung.