APA - Austria Presse Agentur

Ukraine: Selenskyj hofft auf Erfolg bei Getreideverhandlungen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj setzt auf einen Erfolg der Getreideverhandlungen am Freitag in Istanbul.

"Morgen erwarten wir Nachrichten für unseren Staat aus der Türkei - bezüglich der Entsperrung unserer Häfen", sagte Selenskyj am Donnerstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Am Donnerstagabend hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass am Freitag eine Vereinbarung über das Ende der russischen Seeblockade unterzeichnet werden könnte.

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Ausfuhr von Getreide soll von UNO überwacht werden

Die Ausfuhr von Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine soll von den Konfliktparteien unter UNO-Führung gemeinsam überwacht werden. Eine noch nicht unterschriebene Einigung zum Ende der russischen Getreideblockade im Schwarzen Meer sieht ein gemeinsames Kontrollzentrum in Istanbul vor, das von den Vereinten Nationen geleitet und mit Vertretern Russlands, der Ukraine und der Türkei besetzt sein soll. Das erfuhr die dpa aus Diplomatenkreisen in New York. In dieser Zentrale in der türkischen Metropole sollen auch die genauen Koordinaten für den humanitären Korridor auf dem Seeweg zwischen der Ukraine und dem Bosporus festgelegt werden.

Zudem einigten sich die Parteien den Angaben zufolge darauf, dass Schiffe mit dem Ziel Ukraine zunächst in Istanbul durchsucht werden, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen oder Ähnliches geladen haben. Eine weitere Durchsuchung solle es dann in der Türkei geben, wenn die Schiffe aus der Ukraine kommend das Schwarze Meer wieder verlassen wollen. Damit solle sichergestellt werden, dass ausschließlich Getreide an Bord ist. Schiffe in dem humanitären Korridor und die beteiligten Häfen dürften dabei nicht angegriffen werden. Das Abkommen gelte zunächst für vier Monate.

Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine können Millionen Tonnen Getreide aus dem Land nicht exportiert werden. Die Nahrungsmittel werden jedoch auf dem Weltmarkt - vor allem in Asien und Afrika - dringend benötigt. Die Vereinten Nationen warnen vor sich immer weiter zuspitzenden Hungerkrisen.

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Die Einigung, zu der in Istanbul UNO-Generalsekretär António Guterres, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sowie Vertreter aus Russland und der Ukraine erwartet werden, gilt als wichtig, um die sich anbahnende Hungerkrise in der Welt zu bekämpfen. Die Umsetzung - und damit die Ausfuhr von Nahrungsmitteln aus der Ukraine - könnte den Informationen zufolge Wochen dauern. Westliche Diplomaten merkten an, dass es noch immer möglich sei, dass Moskau die Vereinbarungen bei der Umsetzung durch vorgeschobene Gründe scheitern lassen könnte. Die Einigung soll am Freitag um 15:30 Uhr (MESZ) in Istanbul unterzeichnet werden.

Das russische Außenministerium bezeichnete unterdessen die neuen EU-Sanktionen als zwecklos, zugleich aber rechtswidrig und gefährlich für die gesamte Weltwirtschaft. "Vor dem Hintergrund der offensichtlichen Perspektivlosigkeit und Vergeblichkeit der langjährigen Politik, Druck auf Russland auszuüben, werden die verderblichen Folgen der EU-Sanktionsübungen für verschiedene Segmente der Weltwirtschaft und Sicherheit, darunter auch für die EU-Mitgliedsländer, immer deutlicher", kritisierte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Donnerstag das neue Paket.

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Weltweite Lebensmittelkrise

Die EU-Sanktionen gegen Russland seien ein Grund für die Verschärfung der weltweiten Lebensmittelkrise. Die Europäische Union versuche, die Außenhandelsbeziehungen Russlands zu kappen und gehe dabei auch gegen den Agrarsektor vor. Auf der Sanktionsliste seien die Konzernspitzen russischer Düngemittelproduzenten gelandet, die für die Finanzierung der Landwirtschaft zuständige Bank "Rosselchosbank" sei vom System Swift abgeschaltet, klagte Sacharowa.

Die im Sanktionspaket festgehaltenen Ausnahmeregelungen für den Agrarsektor beeindruckten Sacharowa offenbar nicht: "Wir wissen leider, dass es bei der EU zwischen den Absichtserklärungen und realen Schritten eine riesige Distanz gibt", sagte sie. Russland hoffe trotzdem darauf, dass die EU künftig Bedingungen für eine problemlose Ausfuhr von Getreide und Dünger schaffe, um die Lebensmittelversorgung in der Welt zu stärken.

Vorwürfe gegen Russland

Moskau streitet seit Monaten die Verantwortung für die steigenden Lebensmittelpreise ab. Westliche Staaten werfen Russland hingegen vor, den Hunger als Waffe zu benutzen. Der Vorwurf lautet, dass Russland mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht nur preissteigernde Unsicherheit auf den globalen Märkten für Lebensmittel erzeugt habe, sondern auch bewusst ukrainische Getreideexporte über die Seehäfen des Schwarzen Meeres blockiere, um die Krise zu verschärfen. Vor dem Krieg war die Ukraine einer der größten Getreideexporteure in der Welt.

Der ukrainische Präsident Selenskyj äußerte sich unterdessen in seiner Videoansprache am Donnerstagabend auch über die militärische Lage optimistisch. Bei einem Treffen mit den Chefs der Aufklärung, des Militärs und des Innenministeriums sei die Lage an der Front und die Versorgung der eigenen Truppen mit neuen Waffen besprochen worden. Wir "waren uns einig, dass wir ein erhebliches Potenzial haben, unsere Streitkräfte an der Front voranzubringen und den Besatzern erhebliche neue Verluste zuzufügen", sagte Selenskyj.

Zuletzt hatte die Ukraine auch dank westlicher Waffenhilfe den russischen Vormarsch bremsen können und eine Reihe von Munitionsdepots, Waffenlagern und Kommandopunkten im von russischen Truppen besetzten Hinterland vernichtet. Die von Selenskyj jüngst geforderte Rückeroberung von Territorien hat allerdings bisher nicht begonnen.