Serbien sieht steigenden Migrationsdruck aus Bulgarien
Der bulgarische Innenminister Kalin Stojanow hatte erst Ende Juni bei einem regionalen Ministertreffen im niederösterreichischen Laxenburg gesagt, dass es an der EU-Außengrenze seines Landes mit der Türkei seit Monaten "außerordentlich ruhig" sei. Der Migrationsdruck habe abgenommen, weil man den Migranten gezeigt habe, dass es für sie schwierig sei, über die türkisch-bulgarische Grenze zu kommen. Auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) lobte die Bemühungen des Balkanlandes und verwies auf die massiv zurückgegangenen Aufgriffe an der burgenländisch-ungarischen Grenze.
Dačić verwies in dem schriftlich geführten Interview auf Daten der serbischen Grenzpolizei, wonach Serbien seit zwei Jahren die Mehrzahl der illegalen Grenzübertritte an der bulgarischen Grenze verbuche. Rumänien sei nur als Zielland für durchreisende Migranten aus Nordmazedonien relevant, doch seien die Zahlen diesbezüglich viel geringer als bei den Zielländern Ungarn, Kroatien oder Bosnien-Herzegowina.
Sollten Bulgarien und Rumänien dem Schengen-Raum beitreten, werde es "ohne Zweifel" zu einer Routenverlagerung kommen. "Von den aus der Türkei nach Bulgarien kommenden irregulären Migranten werden einige nach Rumänien weiterziehen und nicht nach Serbien, und dann weiter nach Ungarn", betonte der sozialistische Politiker.
Dačić machte auch klar, dass er eine Rolle für sein Land im Rahmen des neuen EU-Asyl- und Migrationspakts sieht. Dieser sehe nämlich vor, dass Migranten künftig vor Überschreiten der EU-Außengrenze umfassend kontrolliert werden und auch geschlossene Einrichtungen in der Nähe der Grenze geschaffen werden. Auf die Frage, ob Serbien zu einem Drittstaatendeal ähnlich jenem wie zwischen Italien und Albanien bereit wäre, äußerte sich der serbische Innenminister zurückhaltend. "Bisher hat Serbien noch keinen Vorschlag irgendeines EU-Mitgliedsstaates betreffend die Umsiedlung von Asylbewerbern auf sein Staatsgebiet erhalten", sagte er. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass Serbien ein Transitland für irreguläre Migranten ist "und sie keinen Asylantrag in Serbien stellen möchten". Im ersten Halbjahr 2024 hätten nur 118 Personen um Asyl angesucht, was etwa einem Prozent aller irregulären Migranten entspricht. Einer Person sei subsidiärer Schutz gewährt worden.
Der frühere serbische Premier machte klar, dass sein Land alle Bedingungen für eine EU-Vollmitgliedschaft und auch einen Schengen-Beitritt erfüllen wolle. Als Mitglied hätte Serbien vollen Zugang zu allen EU-Instrumenten und -Finanzmitteln, um illegale Grenzübertritte zu verhindern und die Rückkehr von Migranten in ihre Herkunftsländer zu bewirken. Dačić signalisierte auch, dass sein Land die von einigen EU-Staaten bekämpfte Solidaritätsklausel im Umgang mit Migranten akzeptieren würde. Das Prinzip der Solidarität zur Verteilung von Migranten unter der Mitgliedsstaaten sei "eine der Säulen" des neuen Asyl- und Migrationspakts, betonte er. Diesbezüglich verwies er aber auf den Status Serbiens als Transitland, und auch auf die Tatsache, dass es als Nicht-Mitglied derzeit nicht infrage komme für finanzielle Unterstützungsleistungen, die im neuen EU-Pakt für jene Staaten vorgesehen sind, die Migranten aufnehmen.
(Die Fragen stellte Stefan Vospernik/APA)
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