APA - Austria Presse Agentur

Serie "Luden" will legendäre Zuhälter nicht verherrlichen

Die Serie "Luden" auf Amazon Prime thematisiert den Machtkampf einer Gruppe Halbstarker gegen etablierte Zuhälter in St. Pauli. Die sechs Folgen basieren auf wahren Begebenheiten in den 80ern. "Die Serie ist durchaus ein kritischer Blick auf diese Zeit, vor allem auf dieses Milieu. Verherrlichen wäre der falsche Weg", sagte der Wiener Stefan A. Lukacs, der bei drei Episoden Regie führte und in Anspielung an seine ungarischen Wurzeln das Pseudonym Istvan verwendet.

APA: Was hat einen Österreicher an diesem norddeutschem Stoff gereizt?

Istvan: Ich habe davor schon seit längerer Zeit eine eigene Recherche am Laufen gehabt über die Wilde Wanda. Das war die einzige Zuhälterin in den 60ern und 70er-Jahren. Sie ist in Wien aktiv gewesen. Diese Figur fasziniert mich, ich würde gerne einmal über sie einen Film machen. Sie hatte auch Kontakte nach Hamburg. Viele österreichische Strizzis hatten das bis in die 80er-Jahre hinein. Das wusste ich alles. Als ich dann hörte, dass Amazon eine Serie über die Reeperbahn plant, habe ich sofort den Produzenten angeschrieben.

APA: Was hat die 80er-Jahre auf der Reeperbahn ausgemacht?

Istvan: Das war einerseits eine wilde Zeit, auch sehr brutal, es gab viel Kriminalität auf St. Pauli. Aber gleichzeitig beschwören viele, die damals aktiv waren, dass es noch einen Kodex gegeben habe, eine gewisse Gangsterehre. Es habe Grenzen gegeben, die nicht überschritten wurden. Erst später seien Banden aus Osteuropa dazugekommen, die angeblich noch einmal eine ganz andere kriminellen Energie mitbrachten. Das mag durchaus stimmen. Heutzutage ist die Reeperbahn ein deutlich braverer Ort geworden. Es ist alles regulierter, auch die Sexarbeit.

APA: Es wird auch viel verklärt ...

Istvan: Ja, diese Zuhälter waren gut darin, ihr eigenes Image zu kreieren. Es gibt immer noch Fanvideos auf YouTube. Das wollten wir nicht machen! Diese Figuren sind durchaus cool, haben aber auch ganz tiefe Abgründe. Wir wollten die patriarchalen Strukturen und die toxische Männlichkeit dieser Luden schon auch persiflieren, um sie bloßzustellen. Die Komödie ist eine der stärksten Waffen, um Dinge, die falsch sind, anzukreiden.

APA: Es ist keine Doku. Wie viel Wahrheit steckt in der Serie?

Istvan: Sie ist inspiriert von wahren Begebenheiten, eine Fiktionalisierung von wahren Ereignissen. Die Autorinnen und Autoren habe sich wahre Geschichten und Menschen hergenommen und daraus eine breiten- und filmtaugliche Story gebaut. Historiker würden vieles finden, was sich so nicht zugetragen hat. Aber es ist eine sehr unterhaltsame, lustige und überspitzte Dramatisierung wahrer Begebenheiten. Die Personen, die damals unterwegs waren, waren schon sehr crazy, aber eben auch faszinierend.

APA: Gedreht wurde zu einem Großteil im Studio - wegen Corona?

Istvan: Einerseits ja. Vor allem war es aber eine künstlerische Entscheidung, weil die Reeperbahn heute ganz anders aussieht als in den 80ern. Wir wollen das schummrige, schmuddelige St. Pauli von damals zum Leben erwecken. Wir haben jedoch auch teilweise in Hamburg gedreht, unter anderem in der berühmten Kneipe "Ritze".

APA: Wie sind Sie als Wiener mit der norddeutschen Tonalität zurande gekommen?

Istvan (lacht): Nun, wir wollten so viel Dialekt wie möglich reinbringen. Das ist in der der deutschen TV-Landschaft selten. Deutschland ist reich an Dialekten, das wird aber nicht so genutzt wie in Österreich, wo jeder Landkrimi einen anderen massiven Dialekt präsentiert. Mit dem Norddeutschen ist viel Humor dazugekommen. Der Schmäh ist ein ganz anderer als der österreichische, aber er ist lustig. Die Hamburger klopfen drei Mal so viel Sprüche wie die Wiener. Wir hatten nicht nur einen Dialektcoach, sondern auch einen Experten, um die Dialoge möglichst hamburgisch zu formulieren.

APA: Stichwort "Schmuddelig" - wenn man Rotlicht zeigt, wie weit wollten Sie da gehen?

Istvan: Es gibt viel Nacktheit in der Serie. Aber wir betreiben keine Exploitation. Uns war wichtig, unterschiedliche Körper zu zeigen, die keinem vermeintlichen Idealbild entsprechen - also im Sinne von Bodypositivity auch Menschen, die man sonst nicht so viel nackt im Fernsehen sieht. Wir wollten authentisch sein, daher gibt es viele Sexszenen, aber als Teil einer spannenden Erzählung, nicht um Zuschauer anzutörnen. Wir hatten eine Intimacy-Koordinatorin am Set, die selbst feministische Pornografie inszeniert. Sie war dahinter, die Dinge expliziter zu gestalten, gleichzeitig hat sie einen Safe Space für die Darstellerinnen und Darsteller aufgemacht.

(Das Gespräch führte Wolfgang Hauptmann/APA)