APA - Austria Presse Agentur

Sex und Religion bei "Love me Kosher" im Jüdischen Museum

Eine alte Weltreligion, in der Männer ihre Frauen befriedigen müssen? Gibt es, so Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museum Wien, bei der Präsentation der morgen startenden Ausstellung "Love me Kosher. Liebe und Sexualität im Judentum" am Dienstag. Kunst von u.a. Friedensreich Hundertwasser und Arik Brauer, Interviews mit Rabbinern und einem Heiratsvermittler sowie ein kosherer Sex-Shop sind Teil der umfangreichen Schau, die neue Einblicke in jüdische Betten liefert.

In welche Richtung es geht, zeigt der Ausgangspunkt der Ausstellung: Der "paradiesische Zustand nach der Erschaffung der Welt" wird durch kaleidoskopartig präsentierte Ansichten aus André Hellers Anima Garten in Marrakesch verdeutlicht. "Sexualität soll Freude machen", sagte Spera, die die Schau gemeinsam mit Daniela Pscheiden und Julia Windegger kuratierte, über die Vorgaben des Judentums. Ein Leben in Enthaltsamkeit, wie man es etwa aus dem Christentum kennt, sei nicht erwünscht, der Mann müsse seine Frau "erfüllen". Die Verbindung zwischen Mann und Frau stelle eine Vereinigung von Weisheit und Verstand dar, heißt es im Pressetext.

Eine, die vor dem Thema Sexualität alles andere als zurückscheut, ist Ruth Westheimer, bekannt als "Dr. Ruth". Die Holocaust-Überlebende und Sexualtherapeutin wurde in Radiosendungen und Talk-Shows einer großen Öffentlichkeit bekannt und diente Spera als Inspiration für "Love me Kosher". Im Museum ist nun etwa das Brettspiel "Dr. Ruth's Game of Good Sex" zu sehen. Minuspunkte gibt es da für das Erwähnen eines alten Partners, Pluspunkte für das Tragen eines durchsichtigen Nachthemdes. Produkte aus einem kosheren Sex Shop - Vibratoren und Penis-Ringe scheinen in Tel Aviv und Jerusalem, wo dieser auch tatsächlich existiert, beliebt - sind hinter Schlüsselloch-Fenstern zu sehen.

Eine Ausstellung über Sexualität im Judentum kann nicht ohne historische Hintergründe auskommen. Schon vor der Zeit des Nationalsozialismus schränkten Erlässe Hochzeiten innerhalb der jüdischen Gemeinde ein. Während der Zeit des Holocausts waren Jüdinnen mit sexueller Gewalt konfrontiert, obwohl dies eigentlich als "Rassenschande" galt. Sex im Austausch für Sicherheit oder Lebensmittel stellte eine Überlebensstrategie dar. Bis heute gibt es in der jüdischen Gemeinde Heiratsvermittler. In einem Interview erzählt Golan Yonatan von Vermittlungsversuchen und davon, wie potenzielle Partner ihre Vorlieben in Google-Listen eintragen.

"Es gibt auch beim kosheren Sex Gebote", erzählte Windegger bei der Pressekonferenz, diese seien vor allem für Frauen gedacht. Sie dürften während der Menstruation keinen Körperkontakt zu ihrem Ehepartner haben und müssen sich nach Ende der Periode rituell reinigen. Um Kontakte zu vermeiden, könne man auf eigene Betten oder sogar Schlafzimmer ausweichen, es gebe aber auch "koshere Betten", so die Co-Kuratorin. Ein auf diese Weise stilisiertes Bett, dessen Matratze ein aufgedruckter Reißverschluss teilt, ist Teil der Ausstellung.

Wie in allen alten Religionen gibt es also auch im Judentum Regeln, die einem modernen, liberalen Blick nicht standhalten. So ist etwa Homosexualität unter Männern in der Tora als "ein Gräuel" beschrieben, von dem man Abstand halten soll; in der orthodox geprägten Wiener Israelitischen Kultusgemeinde sehen sich queere Mitglieder mit Ablehnung ihrer Sexualität konfrontiert. Das hält liberalere Jüdinnen und Juden nicht davon ab, eine andere Haltung einzunehmen: Durch den Kibbutz Klub etwa, der auf Partys Weltoffenheit a la Tel Aviv verbreiten will und dessen Plakate mit Slogans wie "100% unkosher" und "Wien muss Tel Aviv werden" im Jüdischen Museum vor einer Regenbogenwand zu sehen sind.

(S E R V I C E - "Love me Kosher. Liebe und Sexualität im Judentum" von 22. Juni bis 13. November im Jüdischen Museum Wien, Dorotheergasse 11, Wien 1, geöffnet von Sonntag bis Freitag, 10 bis 18 Uhr, www.jmw.at)