APA/BARBARA GINDL

Slowenien empfiehlt Österreich "Selbstreflexion"

Slowenien hat Österreich zu "Selbstreflexion" in der Minderheitenfrage aufgerufen.

Das größte Hindernis bei der Lösung offener Fragen sei, "wenn man nicht bereit ist zuzuhören, wenn man überzeugt ist, dass die Frage gelöst ist", sagte die slowenische Botschafterin in Wien, Ksenija Skrilec, im APA-Interview. Insgesamt sehe sie eine "positive Tendenz" in den bilateralen Beziehungen, so die Diplomatin, die Ende Mai nach vierjähriger Amtszeit Wien verlässt. Keine Zweifel hat Skrilec am Erfolg des slowenischen EU-Ratsvorsitzes im zweiten Halbjahr. "Ich bin überzeugt, dass sich die slowenische Regierung sehr ernsthaft auf die Rolle der Präsidentschaft vorbereitet, sich ihrer Verantwortung bewusst ist und der Aufgabe gewachsen sein wird", sagte sie. Schließlich sei auch die erste Präsidentschaft im Jahr 2008 ein Erfolg gewesen, und damals habe das Land denselben Ministerpräsidenten gehabt wie heute, sagte sie mit Blick auf die scharfe innen- und außenpolitische Kritik am konservativen Politiker Janez Jansa.

Österreich und Slowenien sieht die Diplomatin stark verbunden. "Österreich ist der größte Investor in Slowenien, und Slowenien der größte Konsument österreichischer Produkte (pro Kopf, Anm.). Das sagt schon alles", so Skrilec. In der Coronakrise sei die gegenseitige Abhängigkeit wegen der Grenzschließungen noch deutlicher zutage getreten. So sei auch die neue Kooperationsgruppe der Central Five (C5) aus Österreich, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien entstanden. "In der Pandemie hat Österreich entdeckt, dass es stark mit den C5-Staaten verbunden ist. Es geht um Staaten, die historisch starke Bindungen haben, aber auch wirtschaftlich."

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Auch außenpolitisch gebe es zwischen Österreich und Slowenien "sehr wenige Unterschiede", konstatierte die Botschafterin. Man teile den Blick auf die Weltpolitik und die Region. Unterschiede ergeben sich aus der Neutralität, wobei Slowenien aktuell als NATO-Kontaktstaat eine besondere Funktion in Österreich habe. Potenzial sieht Skrilec etwa im Bereich Entwicklungshilfe, wo Österreich und Slowenien kooperieren könnten - nach dem Vorbild eines gemeinsamen Entminungsprojekts in Syrien.

In europapolitischen Fragen lief es zwischen Wien und Ljubljana in den vergangenen Jahren nicht immer rund. Slowenien sieht seine Bürger und Unternehmen durch österreichische Grenzkontrollen, Anti-Dumping-Regeln oder die Familienbeihilfen-Kürzung diskriminiert. Skrilec äußerte sich diesbezüglich diplomatisch. "Wir haben gemeinsame Aufgaben beim Angehen bestimmter Fragen im europäischen Kontext wie den Respekt gemeinsamer Regeln, von Gesetzen und Rechtsgrundlagen", formulierte sie.

In ihrer Tätigkeit habe sie immer nach Gemeinsamkeiten gesucht, betonte Skrilec. Als Beispiel nannte sie den unter Außenministerin Karin Kneissl erzielten Durchbruch im Streit um die Lipizzaner, den Wien und Ljubljana gemeinsam der UNESCO als immaterielles Kulturgut zum Schutz vorgeschlagen haben. "Es gibt mehr Dinge, die uns einen, als die uns trennen. Wir sollten nicht an der Monopolisierung arbeiten, sondern am Sharing", betonte die Diplomatin.

Skrilec hob in diesem Zusammenhang auch den 2019 begonnenen slowenisch-österreichischen Nachbarschaftsdialog hervor, in dem sich die beiden Länder insbesondere mit Kulturveranstaltungen präsentierten. "Die Kultur ist ein wichtiges Instrument. Mit ihr erreicht man die Menschen besser, weil man nicht viel erklären muss", sagte die Diplomatin. Um die Naturverbundenheit der Slowenen darzustellen, zelebrierte die Botschaft alljährlich den Welttag der Bienen mit besonderen Aktionen. Heuer wurde der Landespolizeidirektion Wien ein slowenisches Bienenvolk geschenkt, das nun am Dach der Polizeizentrale Wiener Honig produzieren soll.

Die größten Erfolge von Diplomaten "werden der Öffentlichkeit nie bekannt", räumte Skrilec ein. "Erfolgreiche Diplomatie wirkt vorbeugend. Deshalb tut es mir nie Leid, wenn ein Erfolg nicht sichtbar wird." Sie betonte zugleich, dass sie sich nie gescheut habe, "problematische Fragen anzusprechen". "Ich bin aufrichtig und erwarte mir auch Aufrichtigkeit. Nur so können wir vorankommen. Diese Haltung hat Beachtung gefunden. Sie hat manchmal überrascht, wurde aber geschätzt", bilanzierte die Diplomatin.

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Ein besonderes Anliegen ist der Angehörigen der ungarischen Volksgruppe in Slowenien die Minderheitenfrage. "Ich bin in einem Gebiet aufgewachsen, in dem die Minderheitenpolitik vorbildlich geregelt ist. Zweisprachige Aufschriften waren dort sichtbar und haben niemanden gestört", sagte die aus der Region Prekmurje im äußersten Nordosten Sloweniens stammende Diplomatin. Den Ortstafelkonflikt in Kärnten habe sie daher erst verstehen lernen müssen.

Skrilec würdigte diesbezüglich die Fortschritte der vergangenen Jahre, etwa die Verleihung des Großen Österreichischen Staatspreises für Literatur an den Kärntner Slowenen Florjan Lipus im Jahr 2018. "Österreich ist da über seinen Schatten gesprungen", sagte sie. Auch die Entschuldigung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei den Kärntner Slowenen anlässlich des 100. Jahrestags der Kärntner Volksabstimmung im vergangenen Oktober habe in beiden Ländern "großen Widerhall" gefunden. "Es war ein gutes Signal, aber keine Wunderlösung", sagte Skrilec. Es müssten jetzt noch Taten folgen, forderte die Diplomatin konkret die Schaffung eines Rechtsrahmens für den Schutz der slowenischen Volksgruppe. Auf die Frage, ob sich auch Slowenien stärker für die slowenische Volksgruppe engagieren könnte, sagte sie: "Verglichen damit, wie Österreich seine Schutzfunktion gegenüber Südtirol ausübt, gibt es auch auf slowenischer Seite noch Potenzial."

Anlässlich des 30. Jahrestages der Unabhängigkeit Sloweniens am 25. Juni hob die Botschafterin die "sehr wichtige Rolle" hervor, die Österreich damals gespielt habe. Das Nachbarland sei "Unterstützer und Vermittler" für Slowenien gewesen. "Damals wurden unsere Beziehungen geprägt", betonte sie. "Sollte mich jemand fragen, was ich mir als Geburtstagsgeschenk für mein Land wünschen würde, dann fielen mir die Originale des ersten Abecedariums und Katechismus in slowenischer Sprache ein", so Skrilec mit Blick auf die zwei Druckwerke, die sich im Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek befinden. Im Jahr 1550 vom Reformator Primoz Trubar verfasst, gelten sie als erste Bücher in slowenischer Sprache.

(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)