APA - Austria Presse Agentur

Sobotka kritisiert Antisemitismus in Kickls Demo-Rede

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat am Freitag eine neue Antisemitismus-Studie im Auftrag des Parlaments präsentiert.

Ohne ihn namentlich zu nennen, übte Sobotka dabei auch Kritik an FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl, der in seiner Rede bei den Corona-Demos Israel etwa "Gesundheitsapartheid" vorgeworfen hatte: Man verwende diese Vergleiche, "weil diese antisemitischen Grundmuster noch in einer ungeheuren Dichte und Breite vorhanden sind", meinte Sobotka. Judenhass sei ein jahrhundertaltes Phänomen, betonte Sobotka. Er sei "kein Randphänomen", er komme "aus der Mitte der Gesellschaft", man sehe das insbesondere im Internet. Wenn man die Rede "eines Klubobmanns" am vergangenen Samstag hernehme, spielte Sobotka auf Kickl an, sehe man ganz klar, es werde kein anderes Land erwähnt, das auch Lockdowns habe oder eine besondere Impfstrategie, sondern es werde Israel genannt. Man bemühe den Sprachbegriff der "Apartheid" und der "Unfreiheit", wissend, dass Israel eigentlich die einzige Demokratie in dieser Region sei, kritisierte Sobotka.

Bereits 2018 ließ das Parlament von IFES (in Kooperation mit Demox) eine Datenerhebung zum Thema Antisemitismus in Österreich durchführen, im November und Dezember 2020 wurde die Befragung (Bevölkerung ab 16 Jahren mit 2.000 Befragten) wiederholt. Neu beleuchtet wurden mediale Einflüsse, aber auch antisemitische Verschwörungsmythen rund um die Corona-Pandemie.

Antisemitismus und der Hang zu Verschwörungsmythen hängen laut den Ergebnissen der Studie eng miteinander zusammen, erklärte Projektkoordinator Thomas Stern. 28 Prozent der Befragten empfinden die Aussage "Eine mächtige und einflussreiche Elite (z. B. Soros, Rothschild, Zuckerberg, ...) nutzt die Corona-Pandemie, um ihren Reichtum und politischen Einfluss weiter auszubauen" als sehr oder eher zutreffend. Und, so Stern: "Personen mit hohem Hang zu Verschwörungsmythen sind deutlich antisemitischer als der Rest der Bevölkerung."

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Eine Rolle spielt neben dem Alter und dem Bildungsgrad der Befragten auch, welche Medien sie konsumieren: Zwar gibt nur eine Minderheit an, Sozialen Medien zu vertrauen. Wer dies tut, weise allerdings überdurchschnittlich starke antisemitische Einstellungen auf, zeigt die Studie. Die den Holocaust verharmlosende Position "In den Berichten über Konzentrationslager und Judenverfolgung im 2. Weltkrieg wird vieles übertrieben dargestellt" nehmen 24 Prozent jener ein, die TikTok vertrauen und 16 Prozent jener, die Facebook und YouTube vertrauen. Von jenen, die traditionellen Zeitungen und Zeitschriften (egal ob im Print oder online) bzw. Nachrichten im Fernsehen oder Radio vertrauen, sind vier Prozent der Ansicht, dass die Aussage zutrifft. Es gebe einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Vertrauen in Soziale Medien, Verschwörungsmythen und Antisemitismus, meinte Studienleiterin Eva Zeglovits.

Im Vergleich zu 2018 scheinen die antisemitischen Einstellungen auf den ersten Blick etwas zurückgegangen zu sein. So fanden 2018 zum Beispiel 39 Prozent der Befragten die Aussage "Die Juden beherrschen die internationale Geschäftswelt" sehr oder eher zutreffend, 2020 gilt das lediglich für 26 Prozent. Die Studienautoren betonen aber, dass die Ergebnisse nicht wirklich miteinander vergleichbar sind. So spiele es auch eine Rolle, inwieweit gewisse Antworten als sozial erwünscht angesehen werden. Die Befragung fand auch kurz nach dem islamistisch motivierten Terroranschlag vom Allerseelentag in der Nähe der Synagoge in der Wiener Innenstadt statt, was wohl auch noch nachgewirkt haben könnte. "Auch wenn es sich bei den Rückgängen um Effekte sozial erwünschten Antwortverhaltens handeln sollte, ist dies für uns relevant und wichtig. Denn dadurch wird eine wachsende Sensibilisierung für die Problematik des Antisemitismus deutlich, die wiederum Grundlage für eine tatsächliche Einstellungsänderung ist", meinte Sobotka.

Unterschieden wird in der Studie zwischen "affektivem Antisemitismus" (eine tief sitzende emotionale Abneigung gegen Juden) und "pseudorationalem Antisemitismus" (Versuch, judenfeindliche Behauptungen "rational begründet" erscheinen zu lassen). Die Aussagen, die dem affektiven Antisemitismus zuzuordnen sind, werden von 6 bis 13 Prozent als sehr oder eher zutreffend angesehen (zum Beispiel "Von einem Juden kann man nicht erwarten, dass er anständig ist"). Noch deutlich höher ist laut der Studie der Anteil an Personen, die die Aussagen des pseudorationalen Antisemitismus als sehr oder eher zutreffend empfinden - er schwankt zwischen 11 und 31 Prozent (zum Beispiel "Juden versuchen heute Vorteile daraus zu ziehen, dass sie während der Nazi-Zeit Opfer gewesen sind").

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Die unbefangene Grundeinstellung zu Juden ist den Studienautoren zufolge stärker verbreitet als der affektive und der pseudorationale Antisemitismus: 62 Prozent bewerten die Aussage "Juden haben viel zum kulturellen Leben in Österreich beigetragen" als sehr oder eher zutreffend, 49 Prozent die Aussage "Wegen der Verfolgung der Juden während des 2. Weltkriegs haben wir heute eine moralische Verpflichtung, den Juden in Österreich beizustehen".

Die Erinnerungskultur in Österreich wird nach Einschätzung einer großen Mehrheit der Bevölkerung im richtigen Ausmaß gelebt. Aber immerhin rund jeder Fünfte ist der Meinung, es werde im Rahmen der Erinnerungskultur zu viel getan. Dass zu wenig getan werde, meint jeder Sechste.