APA - Austria Presse Agentur

"Solaris"-Premiere: Neue Oper Wien macht unverdrossen weiter

Fast alles haben die Bühnen in dieser Coronapandemie bereits gemacht: Premieren vor leerem Haus, live im Fernsehen übertragen oder gestreamt; aufgezeichnet und später online gestellt; die Vorstellung einfach abgefilmt oder für die Kameras weiterentwickelt. Die Neue Oper Wien (NOW) ist einen neuen Weg gegangen: Sie hat ihre Österreichische Erstaufführung von Fabian Panisellos "Les Rois Mages" aufgenommen und verschickt die DVD gratis an Interessenten.

Die ungewöhnliche Vorgangsweise habe vor allem zwei Gründe, erklärt NOW-Chef Walter Kobera im Gespräch mit der APA: "Zum einen ist der technische Aufwand bei einem Livestream viel größer und teurer als bei einer Aufnahme, zum anderen ist es eine Urheberrechtsfrage." Man habe von dem 2019 in Madrid uraufgeführten "Musiktheater für Mezzosopran, Ensemble und Elektronik", in dem neben den bekannten Heiligen Drei Königen Kaspar, Melchior und Balthasar auch noch Taor, der König von Mangalore, vom Kometen nach Bethlehem geführt wird, ursprünglich nur die Aufführungs-, nicht aber die Bild- und Tonrechte erworben.

Die eigentlich für den 10. Dezember 2020 im Wiener Reaktor geplante Publikums-Premiere kam aufgrund des neuerlichen Lockdowns ebenso wenig zustande wie ein kurz darauf in Kooperation mit der Jeunesse geplantes Klagenfurt-Gastspiel. Immerhin soll die DVD nun helfen, die fertige und nun quasi eingefrorene Produktion weiteren Veranstaltern anzubieten, denn "ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden", betont Kobera. So hofft man, die Inszenierung von Christoph Zauner zu einem späteren Zeitpunkt in Wien und bei weiteren Gastspielen zeigen zu können.

Die Neue Oper Wien plant unverdrossen weiter, obwohl jüngst ein Gutachten der Wiener Theaterjury herbe Worte über den freien Musiktheaterbereich der Bundeshauptstadt fand. Sie konstatierte "niedrige Standards und eine besorgniserregende Tendenz zur Stagnation". Geortet wurde u.a. ein "Mangel innovativer Ansätze zur künstlerischen Weiterentwicklung und zur Ausdifferenzierung der Kunstform", weitgehend fehlende "Reflexion von Entwicklungen der Gegenwart" sowie "eine stetige Erosion bestehender Publikumsschichten". Das 1990 gegründete und auf zeitgenössisches Musiktheater spezialisierte Ensemble Neue Oper Wien, wiewohl in dem Gutachten nicht namentlich erwähnt, fand sich nicht mehr in der Liste der zur im Rahmen der Vier-Jahres-Förderung empfohlenen Gruppen.

"Ich kann das nicht nachvollziehen", sagt Kobera, seit 1993 Intendant der NOW. "Aber es ist eine unabhängige Jury-Entscheidung, die ich sachlich und emotionsfrei zur Kenntnis nehme. Dass ich eine andere Meinung habe, ist wohl klar." Aufgrund der Internationalität der Arbeit der Gruppe und der Vielzahl an Koproduktionspartnern könne man der NOW wohl nicht Stagnation vorwerfen. Weil man sehr wohl mit Innovationen arbeite, sei etwa der technische Aufwand bei "Les Rois Mages" außerordentlich groß. Die mediale Akzeptanz sei ebenso hoch wie das Interesse von zeitgenössischen Komponisten an einer Zusammenarbeit. "Ich kann jeden nur in mein Büro einladen, um dort die Stapel an uns zugesandten hochwertigen, interessanten Partituren in Augenschein zu nehmen."

Immerhin sei er bereits vor Bekanntgabe der Jury-Entscheidung von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) zu einem Gespräch eingeladen worden, wo vereinbart wurde, dass die bisherige Fördersumme von 500.000 Euro jährlich nun verbunden mit einer Zwei-Jahres-Förderung ausgezahlt werde. "Damit können wir leben."

Schon am 6. April kommt die nächste Produktion der Neuen Oper Wien heraus, Dai Fujikuras auf dem berühmten Roman von Stanislaw Lem aufbauende Oper "Solaris". Und wieder wird die Premiere (bis auf wenige eingeladene Journalisten) im Semperdepot ohne Publikum stattfinden müssen. Diesmal hat man aber die Rechte für das Streaming gekauft: "Zwei Monate lang können wir die Aufzeichnung auf unserer Website dem Publikum gratis anbieten." Die Aufnahme wird vermutlich ab Mitte Mai als Video on Demand verfügbar sein. Wie "Les Rois Mages" wird auch die von Helen Malkowsky inszenierte Österreichische Erstaufführung von "Solaris" nach der Premiere auf Eis gelegt, um die Produktion bei einer Besserung der Coronasituation wieder auftauen zu können.

Der Stau an Produktionen wird indes auch international immer größer. Ein für den Sommer in Tallinn geplantes "Solaris"-Gastspiel wurde soeben verschoben - auf 2022 oder 2023. Dennoch möchte es sich Walter Kobera nicht verdrießen lassen. "Es gibt so viele Stücke, die es wert sind, aufgeführt zu werden. Für das Seelenheil der Menschen sind geistige Betätigung und Auseinandersetzung ganz wichtig. Kein Virus kann uns das wegnehmen. Nur wir könnten das. Das dürfen wir aber nicht zulassen."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - www.neueoperwien.at)