APA - Austria Presse Agentur

Soloharfenistin Süß: "Menschheit braucht Musik mehr denn je"

Die Soloharfenistin Margit-Anna Süß hat nicht nur mit großen Orchestern wie den Berliner Philharmonikern gespielt, sie veröffentlichte auch zahlreiche CDs und unterrichtet auf der Kunstuniversität Graz, wo sie seit 2017 eine ordentliche Professur inne hat. Mit der APA sprach sie über die Besonderheiten der Harfe, die Berufsaussichten der Studierenden, Streaming im Bereich klassischer Musik und warum sie lieber zu neuen Instrumenten greift.

APA: Was war für Sie ausschlaggebend, dass sie Harfe gelernt haben?

Margit-Anna Süß: Der entscheidende Impuls, Musik zu machen, ein Instrument zu lernen, kommt fast immer vom Elternhaus. Die Frage ist hierbei: Lebt die Musik zuhause? Wie wird in der Kindheit damit umgegangen? Wird gesungen, oder lassen einem die Medien keinen Freiraum zu eigener Initiative? In meinem Fall wurde zuhause gesungen und musiziert, und meine Schwester spielte bereits Harfe, sodass ein Instrument vorhanden war.

APA: Wieso spielen hauptsächlich Frauen dieses Instrument?

Süß: Es gibt durchaus auch Harfenisten! Sehr bekannte sogar, wie Xavier de Maistre, Emmanuel Ceysson oder auch Fabrice Pierre. Noch vor 30 Jahren gab es Orchester wie die Wiener und auch Berliner Philharmoniker, wo man als Frau keine Chance hatte, respektive gar keine Einladung bekam zu einem Probespiel. Es gab also durchaus Männer an der Harfe. Nicht ganz unpraktisch, denn die können die Harfe (ca. 50 kg, Anm.) gegebenenfalls auch gleich selber tragen.

APA: Wo liegen für Sie die Besonderheiten der Harfe?

Süß: Es gibt kaum ein Instrument, das so eine starke Schwingung erzeugt wie die Harfe. Spielen Sie beispielsweise eine Reihe von Akkorden, haben Sie das Phänomen, dass die ganze Harfe, respektive sämtliche Saiten mitschwingen. Und genau das ist es, was mich besonders herausfordert, denn gerade in der barocken oder auch klassischen Epoche brauchen wir eine Klarheit in der Musik, die uns ermöglicht, auch verschiedene Artikulationen herauszuarbeiten. Ich lege deshalb besonders viel Wert darauf, verschiedene Techniken einer speziellen Zwischendämpfung anzuwenden, die ich auch unterrichte, sodass wir ähnlich dem Klavier mit verschiedenen Artikulationen die Musik sprachlich beleben können und eben nicht alles ineinander klingt. Ich lege deshalb meinen Studierenden besonders das Buch "Musik als Klangsprache" von Nikolaus Harnoncourt ans Herz, worin er beispielsweise genaue wissenschaftlich fundierte Anweisungen einer Betonungslehre erläutert.

APA: Sie spielen verschiedene Harfen. Welche bevorzugen Sie, und worin besteht der Unterschied?

Süß: Ich sehe ein Instrument als Mittel zum Zweck und je mehr ich musikalisch das erfüllen kann, wovon ich glaube, dass ein Werk es erfordert, greife ich zu demjenigen Instrument, das dafür meiner Meinung nach geeignet ist. Ich spiele keine historischen Instrumente, gelegentlich Nachbauten. Aber die klassische Musik sollte so transparent und klar in den Artikulationsunterschieden klingen wie möglich, und ich fand dies vor allem bei der neu gebauten Einfachpedalharfe, genau solche Instrumente gab es auch zu Mozarts Zeiten. Da ich Wert lege auf gute saubere Mechanik und Intonation und der damit verbundenen Umstimmungen der Saiten mittels der Pedale, greife ich persönlich lieber zu neuen als zu alten Instrumenten.

APA: Kommen wir zur Ausbildungssituation. Sie haben derzeit zwölf Studentinnen auf der Kunstuniversität Graz. Orchester brauchen meist nur eine fix angestellte Harfenistin, Opernhäusern zwei. Wie schätzen Sie die Berufsaussichten ihrer Studentinnen ein?

Süß: Ich glaube, die Menschheit braucht Musik mehr denn je, in Krisenzeiten brauchen die Menschen geistige Inhalte. Wie sich der Beruf dann im einzelnen darstellt hängt von der Entwicklung der individuellen Persönlichkeit ab. Man kann das noch nicht gleich am Anfang eines Studiums festmachen. Manchmal gibt es eine Entwicklung in Richtung Orchesterharfenistin, manchmal eher ins Pädagogische, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, ich freue mich über inhaltlich neue Impulse der Studierenden, sei es eine eigene Komposition oder Crossovers, Zusammenarbeit mit Schauspiel, der Diversität ist keine Grenze gesetzt.

APA: Sie veröffentlichen immer wieder CDs, zuletzt "La Harpe à Paris", aber auch eine ungewöhnliche Einspielung von Schuberts Impromptus, die eigentlich für Klavier geschrieben wurden. Welche Rolle spielen diese Tonträger noch, und wie sehen Sie die Rolle des Streamings im Klassikbereich?

Süß: Es gibt natürlich fantastische Portale des Streamings wie die Digital Concerthall der Berliner Philharmoniker. Zum Studium extrem geeignet! Es gibt aber auch die andere Seite, dass Musik vor allem ein Phänomen ist, lebendig in einer Geisteswelt, die kein technisches Gerät ersetzen kann. Aber die Gesellschaft hat es sich zum Teil abgewöhnt, wohin zu gehen. Dennoch ist es eine große Herausforderung Aufnahmen zu tätigen, weil man damit möglichst viele Menschen erreichen kann, heute besitzen viele junge Menschen keinen CD-Player mehr, aber sie nutzen Spotify oder Applemusic oder ähnliche Portale, um sich zu bilden.

APA: Welche Projekte würden Sie gerne in Zukunft verwirklichen?

Süß: Ich würde gerne mehr mit Schauspiel machen, mit Tanz, mit bildenden Künstlern, mit Pantomime, überhaupt die Künste zusammenbringen. Wir bleiben ja immer in einem schöpferischen Prozess.

(Das Gespräch führte Karin Zehetleitner/APA)