APA - Austria Presse Agentur

Nordirland-Wahl: Sorge vor Eskalation im Brexit-Streit

Nach der Wahl zum Regionalparlament in Nordirland wächst die Sorge vor einer erneuten Eskalation im Streit um den Brexit-Sonderstatus der ehemaligen Unruheprovinz.

Erwartet wurde, dass die katholisch-republikanische Partei Sinn Fein, die sich für eine Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland einsetzt, erstmals als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgehen wird. Die Auszählung der Stimmen begann am Freitagmorgen. Mit ersten Ergebnissen wurde am Nachmittag gerechnet.

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Ein Wahlsieg der einst als politischer Arm der militanten Organisation IRA (Irish Republican Army) geltenden Sinn Fein wäre ein historisches Ereignis. Sinn Fein könnte damit erstmals das Recht erhalten, die Regierungschefin (First Minister) in der Einheitsregierung der zu Großbritannien gehörenden Region zu stellen. Der Posten ist zwar faktisch dem des Stellvertreters gleichgestellt, aber die symbolische Wirkung wäre kaum zu unterschätzen. Bisher fiel das stets Parteien zu, die sich für die Beibehaltung der Union mit Großbritannien aussprachen.

Ob es zu einer erfolgreichen Regierungsbildung kommt, hängt aber von der Kooperation der protestantisch-unionistischen DUP ab. Dem als Karfreitagsabkommen bekannten Friedensschluss aus dem Jahr 1998 zufolge müssen die stärksten Parteien aus beiden konfessionellen Lagern eine Einheitsregierung bilden. Die DUP signalisierte aber bereits, dass sie als Voraussetzung dafür von der Regierung in London eine erneute Konfrontation mit Brüssel zum sogenannten Nordirland-Protokoll erwartet.

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Der britische DUP-Abgeordnete Sammy Wilson forderte von der Regierung in London, einen Gesetzgebungsprozess in die Wege zu leiten, der dann einen Bruch des Nordirland-Protokolls ermöglicht. "Wir haben es sehr klar gemacht, dass die Assembly nicht funktionieren kann, wenn das Gift des Protokolls noch immer da ist", sagte Wilson der BBC am Freitag in der Früh.

Aus London waren zuvor widersprüchliche Botschaften gekommen. Nordirland-Minister Brandon Lewis war kurz vor der Wahl Spekulationen entgegengetreten, ein entsprechendes Gesetz könne bei der traditionell von der britischen Queen Elizabeth II. verlesenen Regierungserklärung am kommenden Dienstag vorgelegt werden.

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Der britische Premierminister Boris Johnson behielt sich jedoch bisher die Option ausdrücklich vor, die im sogenannten Nordirland-Protokoll festgelegten Vereinbarungen per Notfallklausel zu kippen. Doch das dürfte eine heftige Reaktion aus Brüssel hervorrufen. Noch vor einigen Monaten galt selbst ein Handelskrieg zwischen der EU und Großbritannien nicht als ausgeschlossen. Ob es dazu angesichts des Kriegs in der Ukraine kommen dürfte, scheint inzwischen fraglich. Umso mehr dürfte ein solcher Schritt Londons, der die Einheit des Westens infrage stellt, in Brüssel für Verstimmungen sorgen.

Das Nordirland-Protokoll soll verhindern, dass es wegen des britischen EU-Austritts zu neuen Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland kommt. Stattdessen müssen nun Waren kontrolliert werden, wenn sie von England, Schottland oder Wales nach Nordirland gebracht werden. Die DUP fürchtet, diese innerbritische Warengrenze könnte der erste Schritt zur Loslösung der Provinz von Großbritannien sein. Zudem kommt es zu Verwerfungen in bestimmten Bereichen des Handels. Die EU verhandelt zwar über technische Details zu dem Abkommen, schließt aber eine grundsätzliche Neuverhandlung aus.

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Spätestens für das Jahr 2024 ist eine Abstimmung im nordirischen Regionalparlament über die Beibehaltung des Nordirland-Protokolls vorgesehen, doch alles deutet darauf hin, dass die DUP dabei von den anderen Parteien überstimmt wird.

Weniger im Vordergrund, aber umso wirkmächtiger ist auch die Frage über eine Vereinigung der beiden Teile Irlands. Die linksnationalistische Sinn Fein hatte das Thema im Wahlkampf deutlich hintangestellt und sich auf soziale Themen wie die steigenden Lebenshaltungskosten, Gesundheit und die Wohnungsnot konzentriert. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Partei mittelfristig auf ein Referendum über die irische Einheit hinarbeitet.

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Dass es zeitnah dazu kommt, gilt aber eher als unwahrscheinlich. Der Generalsekretär der regierenden, britischen Konservativen Johnsons, Oliver Dowden, bestätigte am Freitag, dass London einer solchen Volksabstimmung nicht im Wege stehen würde. Voraussetzung sei aber, dass sich eine andauernde Unterstützung der Nordiren für die Vereinigung in Meinungsumfragen abzeichne. Bisher sprechen sich dafür aber gerade einmal etwa 30 Prozent der nordirischen Wähler aus.