SPÖ, FPÖ, NEOS und JETZT fordern stärkere Türkei-Position

Kanzlerin Bierlein forderte Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen
Die SPÖ, FPÖ, NEOS und Liste JETZT haben von der Bundesregierung eine schärfere Verurteilung des türkischen Vorgehens in Nordsyrien sowie mehr Einsatz für ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara gefordert. Beim EU-Hauptausschuss des Nationalrats verwiesen die Parteien am Mittwoch auf einen entsprechenden Antrag vom Juni, der einen Abbruch der EU-Verhandlungen mit der Türkei fordert.

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Außenminister Alexander Schallenberg betonten diese Position auf EU-Ebene laufend zu vertreten. "Österreich hat den Abbruch der Beitrittsverhandlungen stets verlangt, aber als einziges Land", sagte Bierlein. Für einen formalen Abbruch brauche es die Einstimmigkeit der EU-Mitglieder, erklärte Schallenberg. Der Außenminister betonte, die Position Österreichs bei jeder sich bietenden Gelegenheit anzusprechen. Auch gegenüber seinem türkischen Amtskollegen Melvüt Cavusglu habe er das gesagt.

Schallenberg bedauerte, dass sich die EU-Außenminister bei ihrem Treffen am Montag nicht auf ein allgemeines Waffenembargo gegen die Türkei einigen konnten. In Österreich habe der Nationalrat ein solches 2016 beschlossen und es gebe seitdem keine Lieferungen nach dem Kriegsmaterialiengesetz, erklärte er. Als nationale Maßnahme erwähnte er auch, dass der türkische Botschafter nach dem Beginn der Militäroffensive ins Außenministerium berufen worden sei. Er erwähnte außerdem, dass im Zusammenhang mit türkischen Bohrungen zur Erdgassuche vor Zypern europäische Wirtschaftssanktionen gegen Ankara im Raum stehen. Das sei bei einem EU-Kandidatenland einzigartig.

Der stellvertretende SPÖ-Klubchef und europapolitische Sprecher Jörg Leichtfried dagegen bezeichnete die Haltung der Bundesregierung als "enttäuschend". Die Entwicklung in Syrien sei absehbar gewesen und von EU-Seite sei nichts unternommen worden.

Die SPÖ brachte zwei Anträge ein, die die Bundesregierung auffordern, für die Verurteilung der Intervention der Türkei in den Kurdengebieten Nordsyriens durch die EU einzutreten. Die Parlamentsparteien stimmten der Forderung zu, dass sich die österreichische Regierung, allen voran Bundeskanzlerin Bierlein und Außenminister Schallenberg, für einen EU-weiten Stopp aller Waffenlieferungen an die Türkei einsetzen solle. Ein weiterer gemeinsamer Allparteien-Antrag fordert den verstärkten Einsatz für koordinierte Hilfsmaßnahmen der EU für die von den aktuellen Kampfhandlungen betroffen Menschen. Auch dieser Antrag wurde angenommen.

Die freiheitliche Nationalratsabgeordnete Dagmar Belakowitsch kritisierte, dass die Regierung "IS-Kinder und IS-Mütter nach Österreich holt. Das ist nicht der Zugang, den es braucht." Die Erklärung der EU-Außenminister vom Montag sei der "kleinste gemeinsame Nenner". "Da würde ich mir von Ihnen als Außenminister ein bisschen schärfere Worte erwarten", sagte sie an die Adresse Schallenbergs. Petra Steger ergänzte: "Es geht um die Sicherheit Österreichs. Was unternimmt Österreich, wenn (der türkische Präsident Recep Tayyip) Erdogan droht, Europa mit Millionen Flüchtlingen zu überschwemmen?"

Auch NEOS-Europasprecherin und EU-Abgeordnete Claudia Gamon sowie Bruno Rossmann, Klubobmann der Liste JETZT, wünschten sich "klarerer Worte" und Maßnahmen von Seiten der EU. Genannt wurden außer dem Waffenembargo noch wirtschaftliche Sanktionen gegen die Türkei. NEOS-Vize Nikolaus Scherak erklärte, dass die Türkei Europa "verhöhnt". Denn Ankara würde das "Geld der Heranführungshilfe nehmen, nicht um sich anzunähern, sondern sich immer mehr zu entfernen".

ÖVP-Europasprecher Reinhold Lopatka verteidigte die Regierung. Es sei leider so, dass sich die Türkei "immer mehr von europäischen Union entfernt". Aber insgesamt gibt es hier "eine klare Sprache". Er wolle, die Bundesregierung "ermutigen", diese klare Position weiter zu verfolgen, sagte er. Und Lopatka bedauerte, dass Ungarn, das die türkische Offensive in Nordsyrien begrüßte, in dieser Frage kein verlässlicher Partner sei.

Zu den sogenannten IS-Kindern sagte Schallenberg, dass zwei Waisenkinder einer österreichischen Staatsbürgerin aus Nordsyrien zurückgeholt worden. "Darüber hinaus gibt es keine Maßnahmen, sind auch kaum möglich aufgrund der Sicherheitssituation". Zu den Drohungen Erdogans sagte der Außenminister: "Österreich wird sich nicht erpressen lassen."

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