APA - Austria Presse Agentur

SPÖ wirft Regierung bei Afghanistan "Themenverfehlung" vor

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wirft der Bundesregierung angesichts der Situation in Afghanistan "Symbolpolitik ohne Inhalte" und "Themenverfehlung" vor. Statt zu versuchen, die Krise zu lindern, werde über Abschiebungen diskutiert, kritisierte Rendi-Wagner am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Sie forderte eine internationale Afghanistan-Konferenz in Wien, einen EU-Sonderbeauftragten und einen Flüchtlingsdeal mit den Nachbarstaaten in der Region.

Dass die Bundesregierung am Tag der Machtübernahme der Taliban damit beschäftigt gewesen sei, wie man Leute dorthin abschieben könne, "das ist skurril, das ist unfassbar, das ist verantwortungslos", findet die SPÖ-Chefin. Auch kritisierte sie, dass sich Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nicht äußere. Dieses "jämmerliche Schauspiel" der Regierung sei "beschämend", meinte auch SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner.

"Das ist ein Sieg der Taliban, einer Terrororganisation, über den Westen", ortete Rendi-Wagner in der Situation nicht nur eine humanitäre, sondern auch eine "außenpolitische Katastrophe". Österreich und die EU müssten nun eine führende Rolle einnehmen, um die Menschen auf der Flucht bestmöglich zu unterstützen und zu einer Stabilisierung in Afghanistan beizutragen.

Notwendig sei ein EU-Sonderbeauftragter für Afghanistan, der auf Augenhöhe Verhandlungen führen könne. Hilfsgelder müssten an Bedingungen geknüpft sein, etwa Sicherheit für die Bevölkerung, Anerkennung der Menschenrechte, allen voran der Rechte für Frauen und Mädchen, sowie Maßnahmen zur Rüstungskontrolle, forderte Rendi-Wagner. Um Frieden und Stabilität in Afghanistan zu erreichen, schlägt sie außerdem Verhandlungen in Österreich als neutralem Vermittlungsort vor.

Um Flüchtlinge in der Region unterzubringen, solle die EU Kooperationen schließen, meinte Rendi-Wagner. Es gehe um "eine Art Türkei-Deal" mit den Nachbarstaaten Afghanistans für sichere Schutzzonen, um unkontrollierte, gefährliche Fluchtbewegungen nach Europa zu verhindern. Forderungen nach speziellen Aufnahmeprogrammen für besonders Gefährdete wollte sich Rendi-Wagner auf Nachfrage nicht recht anschließen. In erster Linie gehe es darum, österreichische Staatsbürger und Ortskräfte, die seit Jahren mit Europa zusammengearbeitet haben, schnell aus der Gefahrenzone und nach Österreich zu bringen. Besonders bedrohte Personengruppen, etwa wegen ihres Berufs, sollten aber bevorzugt behandelt werden, ergänzte sie.

Caritas-Präsident Michael Landau appellierte unterdessen am Mittwoch an die österreichische Regierung, rasch ein humanitäres Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus Afghanistan zu starten. Er erinnerte daran, dass sich solche Aufnahmeprogramme schon früher bewährt hätten. Notwendig sei freilich auch die rasche Hilfe vor Ort, meinte Landau laut Kathpress. "Beides ist nötig: Die rasche, wirksame Hilfe vor Ort, insbesondere in den Nachbarländern, die heute schon gefordert sind. Hier ist die Caritas auch engagiert. Aber ebenso die Aufnahme besonders verletzlicher und schutzbedürftiger Menschen in Österreich und in Europa, wie das auch in der Vergangenheit immer wieder der Fall war."

Er teile die Einschätzung des Wiener geschäftsführenden Caritasdirektors Klaus Schwertner, wonach es um nichts weniger gehe als um die Frage, auf welcher Seite der Geschichte man stehen möchte: "An der Seite jener, die es kaltlässt, wenn Menschen verzweifelt versuchen, Flugzeuge zu besteigen und im letzten Moment vor dem Schreckensregime der Taliban zu flüchten. Oder auf der Seite all jener, die jetzt helfen."

Das Vorsitzteam der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) forderte in einem Offenen Brief den Stopp sämtlicher Abschiebungen nach Afghanistan. "Menschen nach Afghanistan abzuschieben bedeutet, ihren Tod in Kauf zu nehmen." Außerdem fordert die ÖH "die Solidarität Österreichs und der Europäischen Union mit all jenen, die jetzt akut durch die islamistische Taliban in Afghanistan bedroht sind - diese Solidarität bedeutet die Schaffung sicherer Fluchtrouten und einer Luftbrücke aus Kabul".