APA - Austria Presse Agentur

Stabile Institutionen stützen Standort in Regierungskrisen

Die Regierungen und zuletzt vor allem die sich als Wirtschaftspartei verstehende, große Regierungspartei ÖVP haben stets auf die Bedeutung standortpolitischer Maßnahmen im internationalen Standortwettbewerb verwiesen. Doch was bedeutet es, wenn - wie zuletzt in Österreich - rasch wiederkehrend veritable Regierungskrisen übers Land hereinbrechen? Wirtschaftsforscher warnen in APA-Gesprächen vor Unsicherheit, beruhigen, sehen zum Teil aber auch "eine Katastrophe".

Zwar gibt es die türkis-grüne Koalition mit dem neuen Regierungschef Alexander Schallenberg (ÖVP) nun weiter und Projekte wie die Steuerreform und das Öko-Ticket dürften umgesetzt werden. Doch die politischen Zeiten könnten volatil bleiben. Zur Erinnerung: Schon 2019 hatte die Ibiza-Affäre das Land erschüttert und die türkis-blaue Regierung gesprengt. Und die Wahl des amtierenden Bundespräsidenten hatte auch viel länger gedauert, als man es von entwickelten westlichen Demokratien gewohnt ist. Davor wiederum war oft von Wirtschaftsseite ein "Stillstand" unter SPÖ-ÖVP-Regierungen beklagt worden.

"Für den Standort Österreich ist es eine Katastrophe", sagte Agenda Austria-Institutschef Franz Schellhorn. "Das Land droht im Korruptionssumpf zu versinken", drohen doch aus seiner Sicht eine Prolongation der politische Krise und die dritten Wahlen binnen fünf Jahren. "Bisher war der Standort Österreich teuer, relativ langsam und bürokratisch - und nun kommen annähernd italienische politische Verhältnisse dazu", warnt Schellhorn. Da es "in den vergangenen Jahren genug Stillstand gegeben" habe, dürfe allseits gewünschte Stabilität nicht die Wirtschaft bremsen, verweist Schellhorn auf verschiedenste Standortrankings, in denen Österreich "nur bescheidenes Mittelmaß und weit weg von den Top Ten" sei. Vergleichbare Länder wie Schweden, die Schweiz, Dänemark oder die Niederlande hätten Österreich abgehängt.

Es sei aber davon auszugehen, dass die Regierung beziehungsweise die ÖVP "noch länger mit sich selbst beschäftigt" sein dürften. Komme es zu Neuwahlen, brauche es danach eine rasche Regierungsbildung und eine Regierung, in der an einem Strang gezogen werde, egal in welcher Konstellation. Denn: "Entscheidend ist, dass Österreich eine grundlegende Modernisierung des Staatswesens, im Bildungs- und Sozialsystem und bei den Pensionen braucht", sagt Schellhorn. Das Mindeste sei jetzt einmal der Beschluss der Steuerreform: "Auch wenn uns diese nicht reicht, ist dann einmal was geschafft", so der Agenda Austria-Chef.

"Das ist natürlich nicht gut, wenn es Unsicherheit gibt und Investoren und Wirtschaftstreibende nicht wissen woran sie sind", sagte der neue Wifo-Direktor und WU-Professor Gabriel Felbermayr. Er forderte aber, "die Kirche auch im Dorf zu lassen: Weil eine Regierungskrise wie die aktuelle hinterlässt überhaupt keine Schäden. Sie ist so schnell verschwunden, wie sie gekommen ist", malt er ein deutlich positiveres Bild als Schellhorn. In anderen Ländern - wie Italien oder Belgien - wäre man froh, wenn Krisen so rasch gelöst würden. "Österreich hat aber einen Ruf zu verlieren als sicheres Land mit stabilen Institutionen."

Das Funktionieren der Institutionen sei überhaupt extrem wichtig und unterscheide Österreich von instabileren Ländern. Zudem sei Österreich auch in die EU eingebunden "und selbst mit volatilen politischen Verhältnissen sind die europäischen Institutionen natürlich da". Insgesamt seien "Regierungskrisen wie in der Vergangenheit in Österreich keine Bedrohung des Standorts", so der Wifo-Chef. Sollten sich die Regierungspartner nun lähmen, so sehe man dies auch oft und in vielen anderen Ländern. "Natürlich ist das immer ganz schlecht, wenn es einen hohen Bedarf an politischen Entscheidungen gibt", so Felbermayr, der hierbei die Klimapolitik ansprach, wo ein CO2-Preis alleine nicht reiche.

"Planbarkeit und Verlässlichkeit ist für die Unternehmen und Wirtschaft besonders wichtig", hob auch der Momentum Institut-Chefökonom Oliver Picek hervor. Auch er sieht weniger Schaden wegen der vergangenen und der aktuellen Krise als Schellhorn: "Die Institutionen, die wichtig sind, sind in Österreich ja intakt - auch wenn der Ex-Kanzler (Sebastian Kurz, ÖVP, Anm.) nun im Ausland als korrupt dasteht, egal ob das so bestätigt wird oder nicht." Es gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsstaat funktioniere hierzulande, so Picek, dieser decke mögliche kriminelle Handlungen auch auf. Vor allem wenn sich die Lage nun wieder stabilisiere, sieht er "keine großartigen Auswirkungen".

Auch Picek hob die Einbettung Österreichs in die EU hervor. Er warnte aber vor einer Annäherung an die Visegrad-Staaten und einer "illiberalen Demokratie: Österreich muss punkten als verlässliches demokratisches Land mit stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und starker Anti-Korruption." Im Lichte der Klimakrise wäre eine mit sich selbst beschäftigte Koalition ein "Problem", weil es Lösungen in der Klimakrise und die Alterung der Gesellschaft brauche. Beispielsweise Italien habe in den 1990ern und 2000ern aufgrund der vielen Regierungswechsel Reformen verabsäumt, die im Zuge der Ostöffnung nötig gewesen wären und leide jetzt noch darunter, so Picek.

Keine Einschätzungen zu den Auswirkungen auf den Standort durch die Regierungskrisen wollten die großen internationalen Wirtschaftsprüfer und -Berater von Deloitte, BCG oder KPMG auf Anfragen der APA abgeben. Man äußere sich nicht zu politischen Vorgängen, hieß es unabhängig voneinander aber doch unisono.