APA - Austria Presse Agentur

steirischer herbst zwischen Tradition und Avantgarde

Die Eröffnung des steirischen herbstes hat am Donnerstag eine Mischung aus Tradition und Avantgarde geboten. Mit der Rede von Intendantin Ekaterina Degot im Grazer Landhaushof wurde ein Bogen zum ersten Festival 1968 geschlagen. Der als "Extravaganza" angekündigte Teil im Congress war eine Mischung aus Performances, Musik und Party, bei der sich das Publikum auch miteinander bestens unterhielt.

Der Landhaushof zeigte sich in der Nachmittagssonne unter blauem Himmel von seiner besten Renaissancepracht. Passend dazu erschien die Intendantin nicht etwa unter dem gespannt wartenden Volk, sondern hielt ihre Rede vom Balkon herunter, gehüllt in einen schwarz-schimmernden Paillettenmantel. Das Thema "Grand Hotel Abyss" (Grand Hotel Abgrund) spiegelte sich schon in der optischen Situation hervorragend wider - alles zu ihren Füßen war praktisch Abgrund, während sich die Situation für die Zuschauer anders darstellte. "Das Grand Hotel, für das sich Europa gerne hält, steht nicht am Abgrund. Es ist der Abgrund", hätte Degot ihre Ausführungen nicht treffender beenden können.

Es folgte ein Werk der Komponistin Zorka Wollny: "Voices - Oratorio for Five Speakers an a Listening Crowd" griff das Genre der politischen Ansprachen auf, die von fünf Sprechern/Sängern vorgetragen wurden. Dabei ging es einerseits um immer gleichbleibende inhaltliche Versatzstücke, andererseits spielte die Künstlerin auch mit Tonfall und Rhythmus solcher Reden.

Anschließend ging es in den Grazer Congress, der in allen Sälen und im Foyer bespielt wurde. Das Gedränge des interessierten Publikums war groß, die Schlangen vor manchen Performances, die in kleinen und kleinsten Räumen stattfanden, teilweise sehr lang. So bat Cibelle Cavalli Bastos in ihre quietschbunte, kitschdurchtränkte Wohnung, wo man der Lichterketten-geschmückten Künstlerin bei ihrer Auseinandersetzung mit Weiblichkeit oder Klimawandel zusehen konnte.

Weniger grell, aber sehr gelungen präsentierte sich das Projekt "Echte Grazer Bernhardkugeln" von Elmgreen & Dragset. Das Künstlerduo hatte in seiner Variante der Mozartkugeln die Schichten umgekehrt und präsentierte das Konfekt sehr stilvoll in Glaskuppeln vor einem großen Schwarz-weiß-Porträt des Schriftstellers. Die klebrige Süße des Konfekts in Kontrast zu Bernhards scharfen Wort-Geißelungen wurde von vielen Besuchern als besonders gelungen betrachtet.

"Dissociation Study" nannte sich die Video-Installation von Jule Flierl, bei der die Künstlerin in Großaufnahme grotesk geschminkt zu sehen war, während sie Koloraturen aus Richard Wagners "Tristan und Isolde" sang, allerdings zerhackt und zerdehnt bis zur Unkenntlichkeit.

Hinterfragungen von muskelbepackten Männerkörpern (Jakob Lena Knebl und Markus Pires Mata), eine Raupe, die über den Hedonismus der zeitgenössischen Kunst redet (Alexander Brener und Barbara Schurz) oder die Kritik von Erna Omarsdottir und Valdimar Johannsson an der Konsumgesellschaft boten weitere Möglichkeiten, sich am Rande des Abgrunds bestens zu unterhalten.