APA - Austria Presse Agentur

Strafverfahren gegen VW-Spitze gegen Zahlung eingestellt

Volkswagen kann ein weiteres Kapitel im Dieselskandal abschließen: Das Landgericht Braunschweig stellte nach Angaben des deutschen Autokonzerns das Verfahren gegen Vorstandschef Herbert Diess und den Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch wegen Marktmanipulation gegen Zahlung einer Geldauflage ein. Die Top-Manager sollen jeweils 4,5 Millionen Euro zahlen.

Das Landgericht Braunschweig kündigte am Mittwoch eine Stellungnahme an. Die Staatsanwaltschaft hatte den heutigen Konzernchef Diess und den früheren Finanzvorstand Pötsch im September angeklagt, weil sie ihre Pflichten zur Information des Kapitalmarkts verletzt hätten, als der Dieselskandal im September 2015 ans Licht kam. Die Anklage schwebte als Damoklesschwert über dem Konzern, denn bei Eröffnung des Prozesses hätten Diess und Pötsch viele Verhandlungstage auf der Anklagebank zubringen müssen.

Der Dieselskandal wurde im September 2015 auf Druck der US-Umweltbehörden aufgedeckt. Volkswagen hatte zugegeben, millionenfach Dieselabgaswerte durch eine spezielle Software manipuliert zu haben. Diese sorgt dafür, dass Dieselautos die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand einhalten, auf der Straße aber ein Vielfaches mehr der giftigen Abgase ausstoßen.

Der VW-Aufsichtsrat hatte kurz nach der Anklageerhebung im vergangenen Jahr entschieden, dass die beiden Top-Manager ihre Ämter fortführen sollen. Das Kontrollgremium erklärte mit Verweis auf umfangreiche juristische Untersuchungen, es sei keine vorsätzlich unterlassene Information des Kapitalmarkts durch Diess und Pötsch zu erkennen. VW argumentierte, die milliardenschweren finanziellen Folgen des Dieselbetrugs in den USA seien damals nicht abzusehen gewesen. Der Aufsichtsrat begrüßte nun die Einstellung des Verfahrens.

Volkswagen bezahlt für Diess und Pötsch die Geldstrafe von jeweils 4,5 Millionen Euro. "Sowohl bei der Anklageerhebung im September 2019 als auch heute hat der strafrechtliche Berater und Vertreter des Unternehmens erklärt, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen Herrn Pötsch und Herrn Dr. Diess nicht begründet sind", erklärte VW. Es liege im Interesse von Volkswagen, das Verfahren beizulegen, weil damit auch die Ordnungswidrigkeiten-Verfahren gegen das Unternehmen selbst beendet werden könnten. Nach Überzeugung der Strafverfolger hatten Diess, Pötsch sowie der damalige Konzernchef Martin Winterkorn die Börse vorsätzlich zu spät über die aus der Aufdeckung der Dieselmanipulationen resultierenden Zahlungsverpflichtungen des Konzerns in Milliardenhöhe informiert. Sie hätten damit rechtswidrig Einfluss auf den Börsenkurs des Unternehmens genommen. Diess war 2015 wenige Monate vor Auffliegen der Abgasmanipulation als VW-Markenchef nach Wolfsburg gekommen, zum Konzernlenker stieg er vor gut zwei Jahren auf.

Neben Diess und Pötsch wurde auch der damalige Konzernchef Martin Winterkorn wegen Marktmanipulation sowie wegen Betrugs angeklagt. Das "Manager Magazin" berichtete, womöglich werde auch gegen ihn das Verfahren beendet. Winterkorn ist der ranghöchste frühere VW-Manager, der sich für Dieselgate vor Gericht verantworten soll. Ihm und zehn weiteren Personen werden Betrug und andere Delikte im Zusammenhang mit der Abgasmanipulation vorgeworfen. Anfang des Jahres erklärte die Staatsanwaltschaft Braunschweig, gegen 32 weitere Personen noch zu ermitteln. Die Staatsanwaltschaft München klagte im Juli 2019 den früheren Audi-Chef Rupert Stadler und den für Motorenentwicklung bei VW einst zuständigen Wolfgang Hatz sowie zwei weitere Ingenieure ebenfalls wegen Betrugs, mittelbarer Falschbeurkundung und strafbarer Werbung im Zusammenhang mit Dieselgate an.

Für Volkswagen ist "Dieselgate" ein finanzielles Desaster: Die Wiedergutmachung des Skandals hat den Konzern bisher mehr als 30 Milliarden Euro gekostet - vor allem Strafen und Schadenersatzzahlungen in Nordamerika. In Deutschland droht dem Autokonzern im Rechtsstreit mit Autobesitzern um Schadenersatz ein Rückschlag. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet am Montag in einem Präzedenzfall über die Schadenersatzklage eines VW-Dieselbesitzers. Bei der Verhandlung Anfang des Monats gab das Gericht zu erkennen, dass es die Abgasmanipulation als Schädigung des Käufers betrachtet. Nach einem aktuellen Urteil des Landgerichts Bonn muss VW der Stadt Bonn gegen Rücknahme von 27 städtischen VW-Dieselfahrzeugen knapp 470.000 Euro Schadensersatz zahlen.