APA - Austria Presse Agentur

Studie: Radikalisierung durch persönliche Kontakte

Eine Studie vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie vor drei Jahren beschäftigt sich mit den Hintergründen zum Thema Radikalisierung.

Bei der Radikalisierung von Menschen durch Islamisten spielen vor allem persönliche Kontakte eine zentrale Rolle. Die Rekrutierung erfolgt bei jungen Menschen in Österreich zumeist über den Freundeskreis, über charismatische Persönlichkeiten, die sich in einschlägig bekannten Moscheen aber auch Parks aufhalten, sowie über Internetplattformen bzw. Chats mit Dschihadisten vor allem aus Syrien und Irak, wie eine Studie vor drei Jahren zeigte.

2017 hat das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) die Ursachen und den Verlauf der Radikalisierung von insgesamt zehn Jugendlichen und jungen Erwachsenen - darunter zwei Frauen - nachgezeichnet, die großteils in Österreich aufgewachsen sind. Der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hatte die Untersuchung in Auftrag gegeben. Allesamt wurden sie zu IS-Sympathisanten und in weiterer Folge wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (Paragraf 278b StGB) verurteilt. Dazu wurden auch Gespräche mit Bezugs- und Betreuungspersonen im Umfeld der Jugendlichen geführt.

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Eine alleinige Radikalisierung über das Internet erfolgte laut der Studie jedoch nicht. Moscheen spielten ausschließlich für junge Männer eine Rolle. Für die Studienautoren ergab sich dabei weniger das Bild einer straff organisierten Kaderorganisation, sondern vielmehr ein politisch-salafistisches Milieu verschiedener, durchaus miteinander rivalisierender Moscheen. In denen trafen Rekrutierer auf Jugendliche und junge Erwachsene, die bereit waren, sich weiter zu radikalisieren und konkret für den Kampf in Syrien oder terroristische Pläne in Europa mobilisieren zu lassen, so wie es der Terrorattentäter von Wien geplant hatte.

Bezogen auf einen jungen Befragten wird in der Studie angeführt, man könne nicht verhindern, in Haft mit IS-Propaganda in Berührung zu kommen. Hier wird von den Studienautoren Veronika Hofinger und Thomas Schmidinger untermauert, dass "eine Inhaftierung als persönliche Krise erlebt wird und in einer Krise die Offenheit für radikale Ideen größer ist." Einzelhaft sehen die Studienautoren kritisch. Diese Maßnahme kann zwar einerseits die Radikalisierung von Mithäftlingen verhindern, andererseits bei der isolierten Person eine weitere Radikalisierung bewirken. Jene Befragten, die bereits einmal eine Haftstrafe verbüßt haben, sind dabei alle mit extremistischen Personen oder radikalem Gedankengut in Berührung gekommen oder zumindest zu einem politisch-salafistischen Islam konvertiert.

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Die Entscheidung für die extremistische Ideologie und die Begeisterung für den IS stehen laut Studie wahrscheinlich mit einer gescheiterten Resozialisierung nach der Haft, insbesondere mit negativen Erfahrungen am Arbeitsplatz, einer möglichen Abschiebung oder Duldung in Zusammenhang und werden durch virtuelle "Freunde" und radikale Prediger im Internet sowie in Moscheen angefeuert. Laut den Autoren bestand in keinem der untersuchten Fälle ein einfacher Ursache-Wirkung-Zusammenhang in dem Sinne, wonach auf eine Radikalisierung in Haft nach der Entlassung unmittelbar terroristische Aktivitäten gefolgt wären. Gefängnisse waren bei der Untersuchung also keine Brutstätte für radikalislamistisches Gedankengut, sondern stellen im Prozess der Radikalisierung "eine Art Randerscheinung" dar.

Bis auf eine Person hatten alle in der Studie berücksichtigten Jugendlichen Migrationshintergrund, stammten aus einem bildungsfernen und einkommensschwachen Milieu und erlebten aufgrund fehlender Integrationsmaßnahmen, mangelnder Deutschkenntnisse der Eltern und Perspektivlosigkeit große Fremd- und Außenseitererfahrungen. Diese Ausgrenzungserfahrungen können zu einer verstärkt ausgeprägten muslimischen Identität beitragen. Religion spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Die Position der Eltern in der österreichischen Gesellschaft war in fast allen Fällen denkbar schlecht. Die Jugendlichen selbst hatten höchstens einen Hauptschulabschluss, keiner hatte eine abgeschlossene Berufsausbildung. Die familiären Hintergründe waren geprägt von Gewalt, fehlenden Vätern, früher Traumatisierung und Bindungsstörungen, schweren Krankheiten und Scheidung.