APA - Austria Presse Agentur

Tanner fordert Vorbereitung auf mögliche Raketenangriffe

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) fordert eine Vorbereitung auf mögliche Bedrohungen aus der Luft. Laut dem am Freitag vorgestellten Risikobericht des Verteidigungsministeriums können Raketenangriffe gegen Europa nicht ausgeschlossen werden. Im Umfeld Österreichs bzw. Europas existiere eine Vielzahl von Raketen und Marschflugkörpern mit diversen Reichweiten und Zielsetzungen, heißt es darin. "Da ist ein wichtiger Schritt, dass wir uns vorbereiten", betonte Tanner.

Die Verteidigungsministerin verwies im APA-Gespräch am Rande der Präsentation der Publikation "Risikobild 2023" auf den geplanten Schutzschirm der europäischen NATO-Staaten, auf dessen raschen Einsatz sie hofft. Sie hofft auf eine rasche Umsetzung des European Sky Shield, bei dem Österreich dabei sein könne.

Auf die Frage, wann der europäische Raketenabwehrschirm in Kraft treten könnte, antwortete Tanner, dass es bis jetzt "zwei technische Runden" gegeben habe. Sie erwarte, dass bei den nächsten Verteidigungsministertreffen schon weitere Schritte gemacht werden, aber das benötige Zeit. "Ich glaube, es ist wichtig, dass wir dann zu einer Umsetzung kommen. Wenn Sie mich fragen: So schnell wie möglich."

"Es ist wichtig, dass wir da nachrüsten", erklärte die Verteidigungsministerin weiter. Die Teilnahme am Sky Shield dürfe aber nicht missverstanden werden. "Das heißt nicht, dass wir dann unsere aktive Luftraumüberwachung nicht mehr durchführen müssen. Ganz im Gegenteil: Das eine zu machen und das Schild darüber mit den anderen Staaten, das wird wichtig sein, um eben auch für solche Bedrohungen gerüstet zu sein."

Eine weitere Aufgabe sieht Tanner in der Kommunikation der EU-Beistandsklausel. Es sei verabsäumt worden den Menschen zu erklären, was der Beitritt zur Europäischen Union noch impliziere. Es sei eine gemeinsame Aufgabe des Verteidigungsministeriums, des Außenministeriums und des Bundeskanzleramts, die Wahrheit zu sagen. "Der erste Schritt ist zu informieren, bevor man dann die entsprechenden Entscheidungen zu treffen hat, die ja gesetzlich vorgegeben sind."

Die Beistandsklausel ist im Reformvertrag von Lissabon, der im Dezember 2009 in Kraft getreten ist, geregelt. Diese schreibt vor, dass im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung schulden. Unter Berufung auf den Artikel kann auch an die Solidarität von Nicht-NATO-Mitgliedstaaten appelliert werden wie etwa Österreich, Irland, Schweden oder Finnland.

Dass Österreich wegen seiner Neutralität unter Druck gerät, sieht Tanner aktuell nicht. Die Neutralität sei bei "den europäischen Kolleginnen und Kollegen gar nicht so ein großes Thema, weil dort ja bekannt ist, welchen Beitrag wir als Österreicher leisten". Ihre europäischen Amtskollegen wüssten, dass Österreich sich seit über 60 Jahren an friedenserhaltenden Operationen beteilige, in manchen Westbalkan-Staaten die größten Truppensteller sei und auch darüber hinaus "große Beiträge" liefere wie etwa das Kommando in Mali in der ersten Jahreshälfte des vergangenen Jahres.

Tanner trifft am Montag unterdessen ihren ungarischen Amtskollegen Kristóf Szalay-Bobrovniczky in Budapest. Auch dort wollen die Minister über die sich veränderte Sicherheitslage in Europa sprechen, teilte Tanners Sprecherin der APA mit. Die größte Bedrohung, die vom Ukraine-Krieg ausgehe, "ist die Ausweitung des Krieges auf Europa", sagte Tanner im Vorfeld. "Es geht hier nicht nur um den konventionellen Krieg, sondern um ein Zusammenspiel mit einer nicht-konventionellen, hybriden Kriegsführung, die für unsere beiden Länder ein militärstrategisches Risiko darstellt".

Weitere Themen, die beim bilateralen Gespräch an der Tagesordnung stehen, seien vor allem der Grenzschutz und in diesem Zusammenhang auch die Migration und der Westbalkan. Darüber hinaus will Ministerin Tanner auch die Kooperation der EU und der NATO im Hinblick auf die bevorstehende NATO-Erweiterung ansprechen. Schweden und Finnland haben sich unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine um einen Beitritt in dem Verteidigungsbündnis beworben. Bisher haben 28 der 30 NATO-Länder den Anträgen zugestimmt. Ungarn und die Türkei fehlen noch.