Terroranschlag bringt Nehammer immer mehr unter Druck

Der Innenminister gerät langsam unter Druck
Mögliche Versäumnisse der Behörden im Vorfeld des islamistischen Attentats in Wien bringen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) immer stärker unter Druck.

Die FPÖ brachte in der Nationalratssitzung am Donnerstag anlässlich des Anschlags einen Misstrauensantrag gegen Nehammer ein, dem auch die SPÖ zustimmte. Die NEOS gingen "heute" nicht mit, drohten aber damit, das beim nächsten Mal nachzuholen. Eine Rücktrittsaufforderung kam auch aus den Reihen des grünen Koalitionspartners. Martin Margulies, Gemeinderatsmandatar und Budgetsprecher der Wiener Grünen, machte via Twitter seinem Ärger Luft. "Warum ist @karlnehammer noch im Amt? Er hat seine Abteilungen nicht im Griff. Ein erkennbarer Terrorangriff wurde nicht verhindert. Vier Menschen starben. Und das alles wird bekannt innerhalb von 48 Stunden. Was kommt da noch?"

Nehammer selbst, der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl und der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, traten am Donnerstag wieder öffentlich auf und gaben neue Details zu den laufenden Ermittlungen bekannt. Demnach sind acht der 15 nach dem Terroranschlag in Wien Festgenommenen mutmaßlichen Islamisten bereits wegen diverser Straftaten verurteilt worden, zwei davon wegen eines versuchten Ehrenmordes in Linz.

Erklären mussten sich Nehammer, Pürstl und Ruf auch zur massiven Kritik an den Behörden, wonach sie es verabsäumt haben, den Anschlag zu verhindern. Pürstl wies diese Vorwürfe zurück und meinte, dass "wir gute Arbeit geleistet haben". Aus seinen Aussagen ging aber hervor, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) nach Hinweisen auf einen versuchten Munitionskauf durch den Attentäter in der Slowakei gegen diesen nicht offensiv vorgegangen ist, sondern nur eine Gefährdungsbewertung eingeleitet wurde.

Im Parlament schenkten die drei Oppositionsparteien Innenminister ordentlich ein und forderten eine lückenlose Aufklärung. Der freiheitliche Klubobmann und ehemalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) meinte in Richtung seines Nachfolgers: "Was Sie Kommunikationsfehler nennen, ist das Todesurteil für vier unschuldige Menschen gewesen." Der Anschlag hätte verhindert werden können, er wüsste als Innenminister, was zu tun sei, legte Kickl Nehammer einen Rücktritt nahe.

Auch die Sozialdemokraten sparten nicht mit Kritik. Es gehe nicht um Vernebelung, Ablenkung und Plattitüden, es gehe auch um die Übernahme von Eigenverantwortung, empfahl Partei- und Klubchefin Pamela Rendi-Wagner dem ÖVP-Minister. Nun müssten die Vorgänge ehrlich aufgearbeitet werden mit dem Mut, auch Fehler einzugestehen. Die von Nehammer angekündigte Untersuchungskommission erscheint dem stellvertretenden Klubobmann Jörg Leichtfried nicht das geeignete Instrument dafür. Es brauche parlamentarische Kontrolle, forderte er.

Für die Kommission ist NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, allerdings will sie, dass die Opposition mitreden kann, auch bei der Frage des Vorsitzes. Insgesamt ging sie es deutlich gemäßigter an als SPÖ und FPÖ, wenngleich auch ihr die Angriffe von Kurz und Nehammer auf die Justiz missfielen. Sie nannte sie "schäbig".

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) spricht sich als Konsequenz aus den Fehlern im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien für eine Zusammenlegung der drei Nachrichtendienste aus. "Einer reicht. Einer, der gut aufgestellt ist", sagt Doskozil in einem Interview mit der "Presse". Diesen würde er so wie in Deutschland "organisatorisch beim Bundeskanzler ansiedeln, aber mit einer starken parlamentarischen Kontrolle versehen".

In der "Kronen-Zeitung" meint Doskozil, wären die Geheimdienste dem Hinweis besser nachgegangen, dass der spätere Attentäter in der Slowakei Munition kaufen wollte, dann könne man "mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass dieses Attentat nicht passiert wäre." Personen, die in den Jihad ziehen, sollte nach Ansicht Doskozils die Staatsbürgerschaft aberkannt werden. "Und zwar ex lege. Da braucht es in Wirklichkeit gar kein Verfahren." Wenn jemand nur den österreichischen Pass hat, "dann wird er staatenlos. Es gibt genug Staatenlose. Aber so jemand hat die österreichische Staatsbürgerschaft ganz einfach nicht verdient. Er darf dann natürlich in Österreich bleiben. Aber wenn er ausreist, kann er nicht mehr zurück", sagt der Landeshauptmann in der "Presse".

In diesem Zusammenhang kritisierte Doskozil auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Dieser habe schon 2015 als Außenminister groß verkündet, "dass er IS-Rückkehrern die Staatsbürgerschaft aberkennen möchte. Das war sein Credo. Fünf Jahre später wissen wir: nichts ist passiert. Null. Und das ist im aktuellen Fall schon wesentlich: Hätte man dem späteren Attentäter den Pass entzogen, wäre er am Montag vielleicht in Nordmazedonien gewesen, aber jedenfalls nicht in Wien."

Kommentare