Tiroler Volksschauspiele zeigen Satire "Fern von Europa"

Liegen "Tarrol" und Telfs "Fern von Europa"?
Das Theaterstück "Fern von Europa" von Thomas Gassner hat Mittwochabend unter dessen Regie bei den Tiroler Volksschauspielen in Telfs seine Uraufführung gefeiert. Das mit acht Tiroler Volksbühnen erarbeitete und gestaltete Werk bemühte sich, den satirischen Text von Sepp Schluiferer aus dem Jahr 1909 zu aktualisieren und auch als Kommentar auf das heutige Tirol alias "Tarrol" auf die Bühne zu bringen. Dieser Kraftakt gelang bestens.

Dutzende Laiendarsteller ließen jedenfalls "Tirol" - das Schluiferer in seinem skandalumwitterten Text damals eben "Tarrol" nannte - unter der Leitung und Letztverantwortung von Gassner gekonnt als allzubekanntes und doch fiktiv-überzeichnetes Land im Gebirge plastisch und darstellungsstark auferstehen. Es war insgesamt ein sehr kleines und kleingeistiges Land, in dem die Menschen genauso schroff waren wie die Landschaft und alles mit allem zu tun hatte, weil es eben "schon immer so war". Hier wurde eben - so eine zeitgeschichtliche aktuelle Anspielung - schon seit jeher und seit letzten Endes unbestimmbarer Zeit "alles richtig gemacht".

Neben diesen inhaltlich gegenwartsnahen Auffettungen des Schluiferer-Stoffs wagte Gassner zudem einen interessanten Kunstgriff: In elf Szenen erzählte er den Text nämlich nicht einfach nur nach und machte ihn nicht einfach nur theater- und bühnentauglich, sondern begab sich auf eine Art Metaebene. Das Bühnenwerk spielte dabei im Jahr 1920, als der in Kufstein tätige Wiener Lehrer Carl Techet alias Sepp Schluiferer schon tot war und zuvor aufgrund seines auf wenig Gegenliebe stoßenden Textes die Flucht aus Tirol nach München antreten musste.

In elf Szenen verwischten sich somit die Grenzen zwischen den "Tarrol"-Beschreibung von Schluiferer und den Zugriffen auf das Thema von Gassner. Letztere brachten beispielsweise das "Licht der Aufklärung" in die rückständige, beratungsresistente Tarrol-Welt. Im Endeffekt ging es an diesem Abend und in diesem Stück aber um ein überaus unterhaltsames Aufzeigen, dass sich solcherart gestrickte Theorien und deren Vertreter an diesem merkwürdigen "Landl" die Zähne ausbeißen würden.

Immanuel Kant und dessen "reine Vernunft" hin oder her: In diesem Land spielten eine seltsame verschrobene Kirchenmoral, althergebrachte und nie hinterfragten Volksweisheiten und archaische Rituale, die meist mit Schützengeböller zu tun hatten, die unumstößlichen Hauptrollen. Diese Bergregion - so lernte man - war sich selbst genug und funktionierte über dezidierte Ausschlüsse des Fremden und Andersartigen: "Bisch a Tiroler, bisch a Mensch, bisch koa Tiroler, bisch a Oaschloch."

Für dieses auf der Bühne über rund zwei Stunden fleischgewordene Selbstbestätigungsmantra und natürlich für die durchgängig überzeugende Darstellungsleistungen, konnten sich schließlich die Darstellerinnen und Darsteller heftigen Applaus und vereinzelte Stehovationen vom Publikum abholen. Selbiges galt auch für Gassner: Der "Chef-Vernetzer", Regisseur und künstlerische Berater beim Theater Verband Tirol wurde im fast ausverkauften Rathaussaal eifrig und weit mehr als nur wohlwollend bejubelt.

(Von Markus Stegmayr/APA)

(S E R V I C E - "Fern von Europa" von Thomas Gassner, frei nach Sepp Schluiferer. Regie: Thomas Gassner. Ausstattung: Mirjam Miller. Mit der Heimatbühne Kirchdorf, Kolping-Volksbühne Weißenbach, Theaterverein Nikolsdorf, Theatergruppe Ohne Vorhang, Theaterverein Silz, Theatergruppe Stans, Volksbühne Telfs, Winklbühne Prutz/Faggen. Weitere Vorstellungen am 18., 19. und 20. Juli, 20 Uhr. https://www.volksschauspiele.at/)

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