APA - Austria Presse Agentur

Tomas Schweigen verabschiedet sich mit "Faarm Animaal"

Mit einer "skurrilen sozialen Utopie" namens "Faarm Animaal" präsentiert Tomas Schweigen am Samstag seine letzte eigene Inszenierung in seiner letzten Spielzeit am Schauspielhaus Wien. Orwells Roman diene dabei lediglich als Vorlage, wie er im APA-Interview verrät. Er selbst ist froh, sich nicht gleich ins nächste Direktionsabenteuer zu stürzen, sondern nach Ende der Saison wieder einmal "Luft reinzulassen" und sich um lange geplante eigene künstlerische Projekte zu kümmern.

Der Rückblick auf seine Zeit als Leiter des Hauses in Wien-Alsergrund, das er im Jahr 2015 übernommen hat, fällt wegen Corona zwiespältig aus: "Ungefähr ein Jahr vor Corona waren wir an dem Punkt, wo sich sehr viel von unseren Vorhaben und Plänen eingelöst hatte. Anfangsfehler waren ausgemerzt, wir hatten viele Dinge neu gedacht. Ja, wir hatten das Gefühl, dass es gut läuft." Dann kam das große Reagieren auf die Pandemie, und man habe einige Zeit gebraucht, wieder auf die Füße zu kommen. Mit dem "Hotel"-Projekt, habe man schließlich "den Ausnahmezustand genützt, um uns Fragen über das Theater zu stellen, uns zu öffnen und einen neuen Weg zu finden, mit vielen Künstlern ins Gespräch über diese Fragen zu treten". Mit der erzwungenen Schließung des Hauses für das Publikum und der Möglichkeit, an vielen kleinen, flexiblen Projekten gleichzeitig zu arbeiten, habe man es auch geschafft, viele freie Künstlerinnen und Künstler zu beschäftigen und ihnen in dieser Phase so auch finanzielle Sicherheit zu geben.

Stolz ist der 45-Jährige, der davor als Schauspieldirektor in Basel gearbeitet hat, dass das Schauspielhaus nach wie vor ein Haus für zeitgenössische Autorinnen und Autoren sei und zugleich der Begriff der Autorenschaft hinterfragt worden sei. So habe man etwa das Hans-Gratzer-Stipendium geöffnet, um näher an die Praxis heranzukommen. "Statt aus den eingereichten Texten eine:n Sieger:in auszuwählen, haben wir mehrere vielversprechende Nachwuchsautor:innen eingeladen, um sie in einer workshopähnlichen Situation besser kennenzulernen. So konnten sie auch davon profitieren, wenn sie nicht gewonnen haben", ist sich Schweigen sicher. Diese Art des Arbeitens sei natürlich nur mit einem Ensemble zu bewerkstelligen, das die unterschiedlichen Herangehensweisen an einen Theatertext auch mitträgt. Schweigen ist stolz, dass das Ensemble in diesen Jahren bis auf zwei Abgänge gleich geblieben ist. "Bei den vielen unterschiedlichen Arbeitsweisen, die am Haus aufschlagen, brauchen wir aufgeschlossene Schauspieler, die auch bereit sind, das auszuprobieren."

Angesprochen auf die zahlreichen Preise, die sein Haus in den vergangenen Jahren gewonnen hat - zuletzt etwa einen "Nestroy" für den "besten Nachwuchs" -, meint er zwar: "Wir messen unseren Erfolg nicht an Nestroys", freut sich aber dennoch über die Aufmerksamkeit, die man dadurch als "kleines Haus" bekomme.

Auch der Umstand, dass viele Autorinnen und Regisseurinnen zwar im Schauspielhaus anfangen, dann aber sehr bald auch etwa am Burgtheater arbeiten, freut ihn. "Wir haben in diesen Jahren viele Freund:innen gefunden, die auch nach ihrem Durchbruch weiter bei uns gearbeitet haben." Apropos Freunde: Freundschaftlich sei auch der Umgang mit dem Leitungsteam, das das Haus im kommenden Herbst übernimmt. "Das ist ein sehr smoother Übergang, auch weil ich alle vorher schon von irgendwoher kannte." Auch sei er durch die Entscheidung, sich nicht mehr um eine Vertragsverlängerung zu bewerben, nicht "der Direktor, den keiner mehr haben wollte". "Es ist wichtig, dass die Leitung an einem innovativen, progressiven Haus nicht 20 Jahre da sitzt."

Ein Erfolg ist auch die finanzielle Situation des Hauses. "Als ich angefangen habe, war es finanziell so eng, dass sich viele Pläne, die wir hatten, nicht umsetzen ließen." Einen Umschwung habe Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) als Kulturstadträtin gebracht: "Sie hat sich da wirklich eingesetzt, weil sie verstanden hat, dass es nicht ein politisches Spiel ist, wer wie viel Geld bekommt." Dank "Fair Pay" habe sich das Sprechen über Geld verändert.

Doch zurück zu Corona: Spürt auch das Schauspielhaus den oft beklagten Publikumsschwund? "So schlimm wie in anderen Häusern ist es zum Glück nicht, wir verspüren einen leichten Aufwind", so Schweigen. "Aber man merkt schon, dass die Menschen spontaner ins Theater kommen und nicht mehr lange vorausplanen." Was das Publikum betrifft, freut sich der Direktor über eine große Anzahl von jungen Menschen unter 30 Jahren, die man auch weiterhin ins Theater bringe.

Wer übrigens zu jung ist, um frühere Arbeiten des Schauspielhauses zu kennen, der hat in der laufenden Saison die Möglichkeit, einige Stücke, "die wir aus der Mottenkiste geholt haben", in einer abgespeckten Version in der "Unplugged"-Reihe wieder zu sehen. Zunächst steht aber eben "Faarm Animaal" auf dem Programm. Für Schweigen war "Animal Farm" auf den ersten Blick eher ein "Schultheater-Text", bei einer tieferen Befragung habe er dann aber die politische Dimension erkannt, "die auch heute noch gültig ist". Dennoch habe man sich vom Original weit weg bewegt. "Am Anfang war die Frage: Wie spielen wir Menschen Tiere?" Schließlich habe man eine Geschichte konstruiert, wo Menschen im Waldviertel auf einem Bauernhof als Tiere leben." Es gehe um Fragen wie: Wann haben wir aufgehört Tiere zu sein? Was unterscheidet uns Menschen vom Tier? Und wie funktionieren autoritäre Systeme? "Bei Mobbing fängt es an, bei Inhaftierung hört es auf."

(S E R V I C E - "Faarm Animaal" nach George Orwell, Uraufführung am 19. November, 20 Uhr, im Schauspielhaus Wien. Regie: Tomas Schweigen, Bühne: Stephan Weber, Kostüme: Giovanna Bolliger. Mit Simon Bauer, Vera von Gunten, Jesse Inman, Clara Liepsch, Sophia Löffler, Sebastian Schindegger, Til Schindler. www.schauspielhaus.at)